Mit Kirgisistan wurde eine für mehrere Seiten strategisch wichtige Region erschüttert. Wenn es der neuen Regierung gelingt, das Land trotz der Diskrepanz zwischen Nord und Süd zu einen, könnte das Land von den vielseitigen Interessen profitieren

So schnell waren weder die Ukrainer noch die Georgier: In der zentralasiatischen Republik Kirgisistan fiel die alte Staatsmacht nach nur zweitägigen Demonstrationen in der Hauptstadt Bischkek wie ein Kartenhaus zusammen. Präsident Askar Akajew lehnte Staatsgewalt gegen die Demonstranten ab und floh aus dem Land. Die Ereignisse in der früheren Sowjetrepublik drohen die von Moskau und Washington ausgehandelte Machtbalance in der zentralasiatischen Republik aus dem Gleichgewicht zu bringen. Die Zukunft von Chinas kleinem Nachbarn bleibt nach dem Umsturz völlig ungewiss. Blutige Krawalle bescherten der neuen Führung einen denkbar schlechten Start. Die dritte Revolution auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion in den letzten Jahren erschüttert einen strategisch zunehmend wichtigen Winkel der Erde. In Kirgisistan betreiben sowohl die Amerikaner als auch die Russen je einen Luftwaffenstützpunkt. Die US-Armee versorgt von Bischkek aus ihre Truppen im nahe gelegenen Afghanistan. Washington braucht ebenso wie Moskau ein stabiles Kirgisistan, damit sich der islamistische Extremismus in der Region nicht weiter ausbreitet. Der russische Präsident Wladimir Putin sprach zwar von einem unrechtmäßigen Machtwechsel in Bischkek, beteuerte aber zugleich, mit der neuen Führung zusammenarbeiten zu wollen. Auch Kirgisistans Nachbar China kümmert sich zunehmend um die frühere Sowjetrepublik. Zu der von Fälschungsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl Ende Februar hatte Peking erstmals eine eigene Beobachterdelegation entsandt. An Kirgisistan grenzt die autonome Region Xinjiang, ein muslimisch geprägter Konfliktherd im chinesischen Reich. Im Gegensatz zu den Revolutionen in Georgien Ende 2003 und in der Ukraine Ende 2004 fehlte es der kirgisischen Opposition bislang an einer unbestrittenen Führungsfigur. Diese Rolle nimmt der amtierende Regierungschef Kurmanbek Bakijew für sich in Anspruch. Doch auch der frühere Geheimdienst-Chef Felix Kulow gilt als politisch ambitioniert. Gelingt es ihm, weitere Krawalle in Bischkek zu verhindern, dürfte seine Chancen bei der für Juni angekündigten Präsidentenwahl steigen. Kirgisistan ist, ähnlich wie die Ukraine, in zwei Regionen gespalten. Der relativ wohlhabende Norden mit der Hauptstadt Bischkek steht dem verarmten und von der usbekischen Minderheit geprägten Süden gegenüber. Während Bakijew als Mann des Südens gilt, stehen viele Kirgisistan aus den Norden hinter Kulow. Weitere Parallelen zu den Revolten in Georgien und der Ukraine sind unübersehbar. In allen drei Ländern brachten massive Manipulationen bei Parlaments- beziehungsweise Präsidentenwahlen das Fass zum Überlaufen. Doch die Unzufriedenheit gärte auch in Kirgisistan schon viel länger. Wie in anderen ehemaligen Sowjetrepubliken auch hatte sich der Familienclan um den Präsidenten über die Jahre immer mehr Einfluss im Land verschafft und die profitablen Wirtschaftsbereiche unter seine Kontrolle gebracht. Bei den Krawallen in der Nacht nach dem Umsturz steuerten Plünderer zuerst ganz bestimmte Supermärkte an. Es waren die Läden aus dem Firmenimperium von Akajews Sohn Aidar. (dpa)

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