Gegenseitige Besuche von Politikern sind ein zwar nicht unbedingt billiges, aber dennoch normales und notwendiges Arbeitsinstrument. Sie dienen nicht nur dem persönlichen Kennenlernen, der Kontaktpflege und dem direkten Gedankenaustausch.

Ein wichtiger Aspekt ist auch das Besserverstehen der Ansichten und Positionen der anderen Seite sowie – besonders wichtig – dem Entstehen von Vertrauen, ohne das auch in der großen Politik nicht viel läuft. Natürlich werden für die internationalen Politikprozesse auch die modernen technischen Kommunikationsinstrumente eingesetzt, diese können jedoch in absehbarer Zeit den direkten Kontakt keinesfalls ersetzen.

Nun steht wieder ein solches Treffen auf höchster Ebene bevor: Präsident Nasarbajew wird zu einem Arbeitsbesuch nach Deutschland reisen und sich u.a. mit der Bundeskanzlerin, also der Regierungschefin treffen. Rein formal scheint das ein Treffen nicht ganz Ehrenbürtiger zu sein, schließlich ist Frau Merkel nicht die Präsidentin der Bundesrepublik Deutschland, sondern nur Premierministerin. Dennoch wird das ein Treffen auf gleicher politischer Augenhöhe sein, der Unterschied im „Dienstgrad“ erklärt sich nur aus den unterschiedlichen politischen Strukturen unserer Länder.

Zudem wird es wohl auch ein Treffen mit dem deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler geben. Hier wiederum werden zwar von der Benennung her zwei gleichwertige Partner zusammentreffen, jedoch nicht von ihrem innerpolitischen Gewicht. Wenn man die politische Macht des kasachischen Präsidenten mit 100 Prozent ansetzt, so mag die von Horst Köhler im Vergleich dazu bei 10 oder 15 Prozent liegen. Die deutsche Nachkriegsverfassung hat infolge der traurigen deutschen Erfahrungen mit „starken“ Männern bewusst die weitgehende Dezentralisierung der politischen Macht im Lande vorgeschrieben.

Beim Nasarbajew-Besuch wird eine Reihe aktueller Fragen besprochen und auch gelöst werden, die sich in letzter Zeit zwischen beiden Ländern entwickelt haben. Ich sehe darunter keine besonders konfliktgeladenen. Augenscheinlich sind die Beziehungen zwischen Kasachstan und Deutschland von insgesamt guter Qualität. Der gegenseitige Warenaustausch entwickelt sich mit hoher Dynamik; sein absolutes Niveau erreicht trotz des Außenhandelsdefizits zu Ungunsten Deutschlands ständig neue Rekordhöhen.

Frau Merkel, die im Moment ja zugleich auch die EU politisch führt, wird sich sicher insbesondere um eine Bekräftigung der Beibehaltung der berechenbaren und stabilen Energiepolitik Kasachstans bemühen. Den Willen dazu hat der neue hiesige Premierminister ja schon öffentlich kundgetan, so dass hier keine besonderen Schwierigkeiten ins Haus stehen dürften. Deutschland importiert jährlich etwa sieben Millionen Tonnen Erdöl aus Kasachstan und deckt damit etwa sechs Prozent seines Gesamtbedarfes. Nach den jüngsten hohen politischen Wogen um die Sperrung der Öllieferungen aus Russland über Weißrussland wird naturgemäß von den europäischen Staaten verstärkt in Richtung Liefersicherheit und Vertragstreue mit allen Lieferanten gearbeitet.

Präsident Nasarbajew seinerseits wird sicher die zurückhaltende Investitionsbereitschaft deutscher Unternehmen in Kasachstan bemängeln. Bei dieser Kennziffer nimmt Deutschland nur etwa Position 12 oder 13 ein. Das ist auch unter Beachtung des bekannten Faktes, dass die deutsche Wirtschaft traditionell nicht im investitionsintensiven Rohstoffsektor vertreten ist, zu wenig und liegt sowohl unter den Möglichkeiten der Deutschen als auch den Erwartungen der Kasachen. Schließlich hat „Made in Germany“ hierzulande nach wie vor einen ausgezeichneten Ruf und den sollte man schon nutzen. Kasachstan braucht für die Umsetzung der „Strategie der industriell-innovativen Entwicklung“, die das Land vom Öltropf lösen soll, auch im umfassenden Maße ausländisches Know how, über das in einer ganzen Reihe von Branchen auch deutsche klein- und mittelständische Unternehmen verfügen.
Wir von der Deutsch-Kasachischen Universität erwarten dieses Treffen mit allerhöchster Spannung. Nicht unbedingt wegen der Energie- oder Innovationsfragen, sondern weil bei diesem Treffen auch die „DKU-Frage“ auf die Tagesordnung kommen soll. Bekanntlich forciert Kasachstan in den letzten Jahren auch die Entwicklung des Bildungswesens, weil die Bedeutung des Faktors Bildung als zentrales Element für wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftlichen Fortschritt hierzulande nicht mehr nur deklarativ betont, sondern auch wirklich praktisch angegangen wird. Die kasachische Seite wünscht sich starke ausländische Partner auch im Bildungswesen, vor allem aus Gründen des Transfers modernen Bildungs-Know-hows und der weiteren Öffnung der auch jetzt bereits nicht mehr verschlossenen Tore für den Austausch von Dozenten und Studenten zwischen unseren Ländern.

Die vorgesehene Unterzeichnung einer entsprechenden Absichtserklärung zwischen Kasachstan und Deutschland soll die Entwicklung der DKU auf einem qualitativ unvergleichlich höheren Niveau als bisher möglich machen.

Drücken Sie uns bitte die Daumen, dass die Tinte auch für die notwendigen Unterschriften unter die Erklärung zur DKU reicht!

Bodo Lochmann

26/01/07

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