Das usbekische Volk verfügt über viele historische Traditionen und nationale Feste. Aber die überflüssigen Gewohnheiten der zeitgenössischen usbekischen Hochzeiten, die oft viel Geld und Mühe beanspruchen, nagen an der usbekischen Gesellschaft sowie ihren sozialen und kulturellen Verhältnissen.

Hochzeiten spielen in Zentralasien eine wichtige kulturelle Rolle. Oft werden alte Traditionen und Bräuche zeitgenössischen Gewohnheiten und Trends angepasst. So hat auch die Kritik an der Ausrichtung einer Hochzeit Tradition. Schon vor 100 Jahren kritisierten Intellektuelle wie der in Usbekistan berühmte Schriftsteller Machmudchuscha Bechbudi, in seiner Schrift „Bizni kemiruvchi illatlar“ („Die uns Schaden bringenden schlechten Gewohnheiten“) von 1915 neu aufkommende Trends bei der Ausrichtung eines Hochzeitsfestes. Darin plädierte er, Hochzeitsbräuche abzuschaffen.

Ein weit verbreiter Brauch ist derjenige der Mitgift. Diese Tradition gibt es auch in Europa. In Usbekistan ist es heute gang und gäbe, dass die Braut verschiedene moderne Möbel und andere Geschenke vor der Hochzeit kaufen und zum Bräutigam schicken muss, allerdings bevor sie heiraten.

Es gibt mittlerweile einen neuen Trend der sich „mol yoyar” nennt.

Als Mitgift werden gerne Möbel verschenkt. | Bild: Autor

Die Mutter und die Tanten möchten mit dem neuen Reichtum, den die Heirat bringt, angeben. So gibt es heute eine neue Tradition. Besonders in den Kleinstädten ist dieser Trend verbreitet. Es wird eine Ausstellung der Mitgift, zum Beispiel Teppiche, Möbel, Kleidung und andere Dinge für die Nachbarn beim Bräutigam durchgeführt. Eine gängige Mitgift beträgt mindestens 3.000 Dollar.

Das Ganze sieht heutzutage aus wie ein Wettbewerb um die Autorität in der Gesellschaft aus und hebt die Unterschiede zwischen Arm und Reich hervor. Dadurch verstärkt sich die soziale Spaltung der Gesellschaft.

Alle reichen Eltern schenken den jungen Ehepaaren immer teurere Möbel und Geschenke bei der Hochzeit, aber die Armen können sich diese nicht leisten.

Trotzdem sagen sie oft, dass ihre Kinder keine Waisen seien. Darum versuchen sie die Hochzeit ihrer Tochter so auszurichten, wie alle anderen das tun.

Dafür werden oft Kredite aufgenommen oder etwas verkauft. Viele Eltern geben das lebenslang gesparte Geld aus. So bringen diese Bräuche, die aufs Materielle ausgerichtet sind, oft kein Glück, sondern Not und Armut in die Familien.

Eine 52-jährige Frau aus dem Dorf erzählt bedauernd: „Wir haben die Möbel und andere Geschenke zu unserem Schwiegersohn in spe vor einem Monat vor der Hochzeit geschickt, aber seine Eltern haben gesagt, dass sie sehr billig seien und nicht aus dem Ausland kämen. Aus diesem Grund haben sie die Hochzeit abgesagt.“ Ich bin ganz enttäuscht darüber und frage mich jetzt: Heiratet ihr Sohn die Möbel? Oder liegt das Glück in einem Stück Holz?
Das Verständnis von den heutigen Hochzeitsfesten entwickelt sich unter dem Einfluss der westlichen Kulturen. Zum Beispiel sind auch in Usbekistan „Love-Story“-Reisen in Mode gekommen. So bezeichnet man eine zweitägige Auslandsreise des Brautpaares vor der Hochzeit, um sich fotografieren zu lassen und die Fotos anschließend während der Hochzeit seinen Gästen zu zeigen.

Im Interview bewertet der Ethnologie-Experte, Julian Tucker aus Deutschland über diese Situation in Usbekistan: „Das Heiraten ist hier fast eine Industrie geworden. Wenn man in Taschkent in der Ulugbekstraße unterwegs ist, sieht man sehr viele Geschäfte, die „Kelin liboslari“ (Hochzeitskleidung) anbieten. Hier gilt: wohlhabende Menschen kaufen in den teuren, ärmere Paare in billigeren Geschäften. So wird den Menschen ihr Platz in der Gesellschaft zugewiesen. Einige Sachen, die hier in Usbekistan auf Hochzeiten passieren, würde ich als eine Art Prahlsucht bezeichnen.“ Auch in anderen Gesellschaften gibt es ähnliche Eitelkeiten wie in der usbekischen Gesellschaft. Zum Beispiel zeigt das Fernsehen in Deutschland Sendungen wie „MeineTraumhochzeit“ oder „Mein Traumpartner“. Dabei wird auch ein sehr materialistisches Konzept einer Hochzeit präsentiert.

Von Sobir Pulatov und Hilola Yuldasheva

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