Die Gerda-Henkel-Stiftung hat seit Anfang des Jahres ein Büro in Almaty. Von dort aus koordiniert der gebürtige Usbeke Churschidbek Inimjonow die Projekte in Zentralasien. Fünf Jahre hat er in Deutschland studiert und gelebt. Nach seiner Rückkehr in die heimatliche Region fällt ihm das Leben hier doch schwerer, als er vorher vermutet hatte.

Churschidbek Inimjonow beschreibt seine Arbeit herzlich: „Ich muss mich um `mein Zentralasien` kümmern“, und lacht dabei freundlich. Der kleine, etwas kräftige Mann leitet seit Anfang des Jahres das Büro der deutschen „Gerda-Henkel-Stiftung“ (GHS) in Almaty. Im zweiten Stock der Deutsch-Kasachischen Universität befindet sich die einzige Außenstelle der GHS außerhalb Deutschlands. Dort können sich Absolventen der historischen Geisteswissenschaften wie Geschichte, Völkerkunde, Archäologie oder verwandter Themengebiete über ein Stipendium persönlich beraten lassen. „Ende 2004 hat die Stiftung beschlossen, Projekte in Zentralasien zu fördern. Schon damals habe ich diese von Deutschland aus koordiniert. Wir haben dann aber entschieden, ein Büro vor Ort zu eröffnen, weil es uns wichtig ist, dass wir persönlichen Kontakt zu den Stipendiaten haben und wir uns auch mal in die Augen schauen können“, erzählt Churschidbek Inimjonow. Gefördert werden Wissenschaftler aus Zentralasien und aber auch aus Deutschland, die in der und vor allem über die zentralasiatische Region forschen. Das sind insgesamt elf Länder, wie Inimjonow beschreibt: „Wir zählen dazu Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisistan, Turkmenistan, auch Aserbaidschan, Südsibirien, die Mongolei, Nordafghanistan und die uigurische Provinz Xingjiang im Westen Chinas. Die Geschichte der Region hört nicht an einer beliebigen Landesgrenze auf“, sagt der Projektkoordinator.

Sprache kein Kriterium

Im Juni 1976 gründete Lisa Maskell die Stiftung zum Gedenken an ihre Mutter Gerda Henkel. Heute hat die Stiftung ihren Sitz in Düsseldorf. Die Förderung von Nachwuchswissenschaftlern ist ein besonderes Anliegen. Kaum eine andere Organisation grenze den Kreis ihrer Stipendiaten so ein, wie es die GHS tut, sagt Churschidbek Inimonow: „Wir unterstützen eigentlich nur graduierte Studenten. Sie erhalten über einen bestimmten, meist begrenzten Zeitraum Stipendien für Projekte. Das können dann beispielsweise Arbeiten zu bestimmten geistigen oder politischen Bewegungen im frühen Mittelalter sein. Aber auch solche Leute werden gefördert, die Archive oder Bibliotheken neu aufbauen oder die Bestände restaurieren.“ Wichtig dabei sei nur, dass die Anträge in deutsch geschrieben werden, ob die Projektberichte selbst dann in Englisch oder Russisch verfasst werden, spiele keine große Rolle, wie Churschidbek Inimjonow erklärt: „Die Gerda-Henkel-Stiftung fördert die Forschung, deshalb versuchen wir es den Wissenschaftlern so leicht wie möglich zu machen. Sprache sollte kein Kriterium für gute Forschung sein. Außerdem wollten wir die, die kein Deutsch oder Englisch sprechen, nicht ausgrenzen und einen Schritt auf sie zugehen.“

Jeweils bis Ende Januar und Ende Juni können die Antragssteller ihre Bewerbungen einreichen, danach entscheidet eine Jury über die Förderung. Wer dabei ist, kann sich glücklich schätzen. Denn neben den konkreten Forschungsprojekten werden zum Beispiel auch die Fahrtkosten von der Gerda-Henkel-Stiftung übernommen.

Über Kairo nach Gießen

Das kleine Büro ist noch karg, nur ein hölzerner Schreibtisch und zwei fast leere Regale erfüllen den Raum. Richtig Farbe bringen nur die usbekische, die kasachische und die deutsche Flagge, die im Miniformat auf dem Tisch stehen. Churschidbek Inimjonow erklärt, warum: „Eigentlich ist das ganz einfach. In Usbekistan bin ich aufgewachsen und habe dort viele Jahre gelebt. Danach zog es mich für mein Studium und die Doktorarbeit nach Deutschland, und jetzt ist mein Mittelpunkt Kasachstan.“ Das Leben des ruhigen Mannes mit offener Miene ist abwechslungsreich. In der usbekischen Hauptstadt Taschkent studierte er Orientwissenschaften, Arabistik und Deutsch, da „eine westliche Sprache Pflicht für uns war“, erklärt er selbst. Nach einem Jahr in der Heimat ging er nach Ägypten. Durch die Sprachkurse am Goethe-Institut in Kairo wuchs sein Interesse an der deutschen Kultur, und die Idee entstand, nach Deutschland zu gehen. Drei Jahre später beendete er sein Studium der Orientalistik und Politikwissenschaften im niedersächsischen Gießen und promovierte daraufhin über die Außenpolitik seines Heimatlandes Usbekistan nach dessen Unabhängigkeit.

Sehnsucht nach deutscher Infrastruktur

„Zur Gerda-Henkel-Stiftung kam ich durch einen Zufall. Ich hab vor gut zwei Jahren von ihren Zentralasien-Projekten gehört, wollte darüber mehr wissen und hab einfach mal angerufen. Daraufhin hab ich mich mit Leuten der Stiftung getroffen um ein Büro vor Ort zu eröffnen. Jetzt bin ich hier“, erzählt der junge Mann und ergänzt schnell: „Ich hab aber nur unter der Bedingung zugesagt, dass ich zwei Mal im Jahr nach Deutschland komme. Bei 28 freien Tagen macht das genau vier Wochen. Ich verbringe also meinen gesamten Urlaub in Deutschland.“ Er schwärmt vom Rhein-Ruhr-Gebiet, dass er als seine „Lieblingsgegend“ beschreibt, und während er in Erinnerungen schwelgt, fällt kaum auf, dass diese Worte aus dem Munde eines kleinen, unscheinbaren Usbeken stammen. Erst habe er sich auf die Heimat gefreut, jetzt, nach gut einem halben Jahr hier, werden ihm die deutschen Vorzüge erst einmal richtig bewusst. „Mir fehlt die deutsche Infrastruktur – dass man alles mit dem Rad erreichen kann, ganz gleich, ob Bibliothek oder Schwimmhalle. Und mir war das früher nicht so bewusst, dass die Menschen hier eigentlich kein Umweltbewusstsein haben, das tut mir schon fast weh, wenn ich hier den Müll überall sehe. Na ja, und es gibt eben auch kaum Cafés, in die man sich nach der Arbeit setzen kann. Doch am meisten vermisse ich wohl die Grillkultur, gemeinsam mit Freunden draußen im Grünen“, erzählt der 30-Jährige. Schon Mitte Juni zieht es ihn wieder nach Deutschland. Sogar zwei Karten für die anstehende Fußball-Weltmeisterschaft habe er sich gesichert, wie er stolz berichtet: „Ja, ich werde die Spiele England gegen Schweden in Hamburg und das Aufeinandertreffen der Ukraine gegen Saudi-Arabien in meinem geliebten Köln sehen.“ Und wie er so von der Reise träumt, freut er sich neben dem Fußball schon jetzt besonders auf ein deutsches Bier, eine Bratwurst und die deutschen Freunde.

Von Natascha Heinrich

02/06/06

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