Auch nach jahrzehntelanger alljährlicher Wiederholung wird man nicht müde, sich tagelang Gedanken um das passende Karnevalskostüm zu machen – jedenfalls als Rheinländer. Als Profi geht man nicht in irgendeinen Laden und kauft sich irgendwas oder wird 08/15 das, was fast alle werden. Sondern man tüftelt, kniffelt, näht und klebt.

Manch einer behauptet, man würde à la Freud gern das, was man auch im sonstigen Leben gern wäre. Na, ich weiß ja nicht. Aber es ist einfacher, sich einen Grund aus den Fingern zu saugen, warum man im Karneval gerne Krankenschwester, Kapitän, Pirat oder Maus wäre, als einen Disput über Freud auszufechten. Zu meinen Standardkostümen – Drache, Hexe, Vampir – ist der erstbeste rote Faden, der mir einfällt, dass ich gefährlich wirken möchte. Das zieht.

Ob das stimmt, weiß selbst ich nicht, aber damit sind die Leute zufrieden und ich kann entspannt meiner Wege ziehen. Zu diesen drei Kostümen wähle ich in jedem Jahr ein viertes, um etwas Abwechslung in die Garderobe zu bringen. In diesem Jahr nimmt sich das alles schwerer aus als zuvor. Und das liegt daran, dass mich meine Freundin mit ihrem Kollegen verkuppeln will. Der Erstkontakt sollte an einem Karnevalsfest erfolgen.

Eine elegante Lösung, so scheints. Denn das ist das erste Mal, dass ich als Betroffene in eine Kuppelei verstrickt werde, noch nie ein blind date hatte und sowieso urplötzlich einen Anfall großer Schüchternheit bekomme, wenn es ums Eingemachte, also einen Mann, geht. Im Karneval ist so was einfacher. Man kann die Schamesröte unter der Schminke verstecken, die Aufgeregtheit gehört zum festen Bestandteil im Karnevalseifer.

Man trinkt mehr Bier als sonst und ist alle miteinander ausgelassen und ungehemmter. Die körperlichen Berührungen erfolgen unverfänglich im gemeinsamen Tanzen und Schunkeln. Prima. Bleibt die Frage: Wie präsentiert man sich jemandem, den man gar nicht kennt aber den man beeindrucken will. Ich ging als Silber. Von Kopf bis Fuß glitzernd und funkelnd. Und dabei auch figurbetont. Mindestens ich fand mich wunderschön, was immerhin zu einem selbstbewussten Auftreten verholfen hat.

Das Konzept ging auf. Wir kamen uns näher. Und sehen uns bald wieder. Geschafft! dachte ich. Aber Nein! sagt meine Freundin. Der Boden wäre zwar geebnet aber jetzt komme erst der entscheidende Schritt. Jetzt müsse unbedingt das richtige Kostüm her. Sie musste nicht lange überlegen: Matrix. Also die Frau aus dem Film „Matrix“. Eng und schwarz. Elegant und gefährlich. Und cool. Ruckzuck hat sie mir eine Einkaufsliste zusammengestellt. Alles leicht zu besorgen: eine Sonnenbrille. Enge Jeans. Stiefel. Breiter Gürtel. Gel. Langer Mantel. Enges Oberteil. Alles in Schwarz.

Das Problem ist einzig, dass ich beim ersten Treffen unter dem Einfluss von viel Kölsch groß getönt und getutet habe, dass ich als Nebenkostenabrechnung ginge. Da wollte ich originell wirken und habe nicht den Absprung geschafft zuzugeben, dass das nur ein Scherz war, sondern weiter getönt: „Na klar gehe ich als Nebenkostenabrechnung! Kein Scherz! Ihr werdet schon sehen!“

Tja, und da ich noch in der Phase bin, beeindrucken zu wollen, und zwar dann doch auch mit den inneren Werten, möchte ich neben meiner Coolness durch Konsequenz und Zuverlässigkeit bestechen. Welcher Mann möchte schon eine Frau, die nicht hält, was sie verspricht? Eben! Und so tüftel ich nun die ganze Zeit daran herum, wie ich die Matrix mit der Nebenkostenabrechnung kombinieren kann. Mann, da habe ich mir was eingebrockt! Anstatt einfach mal so Karneval zu feiern …

Ich bin jetzt immerhin so weit, dass ich mir eine Nebenkostenabrechnung auf das T-Shirt drucken lasse und aus meiner Pistole anstatt Munition eine Nebenkostenabrechnung schießt. Nicht sehr originell. Ich sollte doch besser die enge Jeans in den Vordergrund bringen. Na, das kann ja was werden! Ich werde berichten.

Julia Siebert

12/02/10

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