Die Behauptung, dass man aus der großen Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1933 gründlich gelernt habe, gehört im Moment zum guten Ton in den Erklärungen von Politikern und Managern. Die damalige Krise, die zugleich auch die bisher schwerste in der Weltwirtschaftsgeschichte war, ist zu einem Gutteil durch falsches Verhalten von Politikern, aber auch Wirtschaftsführern noch deutlich vertieft worden.

Es handelte sich damals um eine Deflationskrise, das heißt, die Preise waren infolge stark zurückgehender Nachfrage so tief gesunken, dass ein großer Teil der Produzenten die Kosten nicht mehr decken konnte und die Produktion einstellen musste. Wesentlich verstärkt wurde der Deflationsprozess durch die drastische Verringerung der Staatsausgaben, darunter Gehälter und Sozialleistungen. In dieser Hinsicht scheint es tatsächlich so, als hätten unsere heutigen Verantwortlichen aus dieser historischen Krise gelernt. Heute sind die Schleusen des staatlichen Geldflusses weit geöffnet, möglicherweise sogar zu weit, was man im Moment aber noch nicht endgültig beurteilen kann.

In einer wichtigen anderen Hinsicht ist die Lernbereitschaft aus früherem Krisengeschehen aber offensichtlich nicht ganz so deutlich ausgeprägt. Die Tiefe und Schwere der Krise vor etwa 80 Jahren wurde wesentlich durch protektionistische Maßnahmen einzelner Staaten mitverursacht. Unter Protektionismus versteht man die künstliche Abschottung der nationalen Märkte vor der ausländischen Konkurrenz. Das Hauptinstrument dazu sind Importzölle, die die Importwaren künstlich verteuern und so die Nachfrage nach Produkten heimischer Produzenten steigen lässt. Zusätzlich werden gern auch noch Importquoten (also die mengenmäßige Begrenzung von Importen) und die Verschärfung bürokratischer Prozeduren (Grenzkontrollen, „Papierkram“ etc.) eingesetzt.

Sicher ist es für Politiker verlockend, sich dem staunenden Volke als Retter der heimischen Arbeitsplätze zu präsentieren, auch indem man die böse Auslandskonkurrenz durch administrative Maßnahmen verdrängt. Die Erfahrung aus früheren Krisen zeigt jedoch, dass Protektionismus keine strategische Option zur Lösung innerer Wirtschaftsprobleme sein kann. Natürlich bleibt den heimischen Kunden irgendwann nichts anderes übrig als heimische Waren zu kaufen. Kurzfristig sichert das zwar Arbeitsplätze und erleichtert die Beherrschung sozialer Fragen wie den Erhalt von Arbeitsplätzen in Krisenzeiten. Mittel- und langfristig aber können sich solche Maßnehmen negativ auswirken. Infolge des Schutzes vor der Konkurrenz verlangsamt sich meist das Innovationstempo in den heimischen Firmen. Da aber zu „Schlagbaummaßnahmen“ gegriffen werden musste, war diese offensichtlich auch vor der Krise schon ungenügend. Langfristig werden durch eine Verlangsamung der Innovationsprozesse infolge fehlender Konkurrenz sogar eher Arbeitsplätze vernichtet, als erhalten.

Nun sind auch einige kasachische Politiker der Versuchung erlegen, zum „bewährt-nichtbewährten“ Instrument des Protektionismus zu greifen, zumindest teilweise. Im vergangenen Jahr hatte man als eine Maßnahme des Kampfes gegen die überbordende Inflation noch die Importzölle für eine ganze Reihe zu importierender Nahrungsmittel verringert. Diese Zollverringerung ist nun ab 1. Januar rückgängig gemacht worden, so dass die Importzölle ihr altes Niveau wieder erreicht haben. Da hier sehr viele Erzeugnisse des täglichen Bedarfs aus Importen stammen, werden diese natürlich automatisch teurer. Das ist erwünscht, damit der heimische Verbraucher stärker auf im Lande selbst hergestellte Erzeugnisse zurückgreift und so hilft, Arbeitsplätze zu erhalten. Die Rechnung kann aufgehen, sie muss es aber nicht. Infolge des hohen Importanteils bei vielen Nahrungsgütern wird sich also die Gesamtinflation eher wieder beschleunigen. Allerdings ist das dann keine importierte Inflation, sondern eine hausgemachte. Da die Löhne in Kasachstan im Moment keinesfalls steigen, lässt die hohe Inflation aber die Nachfrage wieder sinken. Ein Teufelskreis kann also entstehen.

Insgesamt wäre Kasachstan (wie jedes andere Land auch) schlecht beraten, infolge der realen Probleme die internationale Abschottung zu weit voranzutreiben. Dazu ist man zum einen viel zu stark auf Importe, aber auch auf äußere Absatzmärkte angewiesen, zum anderen werden sich auch im Inland Probleme ergeben – wenn auch sicher andere als im Moment. Wichtig ist zudem noch, dass eine protektionistische Reaktion eines Landes meist auch zu einer entsprechenden Gegenreaktion in den Handelspartnerländern führt. Insgesamt kommt dabei eher nichts anderes heraus als eine Vergiftung des internationalen Klimas oder gar ein Handelskrieg. Beides würde die aktuellen Probleme keinesfalls lösen, sondern nur noch verstärken.

Bodo Lochmann

30/01/09

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