Susanne Becker verlässt das Goethe-Institut Kasachstan. Sie war fünfeinhalb Jahre Leiterin der Sprachabteilung und blickt im Interview auf ihre Zeit in Kasachstan zurück. Der DAZ hat sie verraten, woran sie sich erstmal gewöhnen musste und was sie vom Leben in Almaty vermissen wird.

Susanne, Du verlässt Kasachstan und wirst eine neue Stelle im Goethe-Institut in Kiew antreten. Was war deine Aufgabe hier in Almaty?

Am Goethe-Institut Almaty habe ich die Sprachabteilung betreut. Das heißt, ich habe die Sprachkurse und Prüfungen organisiert und die Bildungskooperation Deutsch geleitet. Zur Bildungskooperation Deutsch gehören alle Veranstaltungen und Fortbildungen für Deutschlehrer und Deutschlerner. Dazu gehört auch die Kooperation mit den Sprachlernzentren und der deutschen Minderheit in Kasachstan und Kirgisistan. Seit 2009 ist das Goethe-Institut Almaty auch in Turkmenistan aktiv mit dem Schwerpunkt auf der Bildungskooperation Deutsch. Seit Herbst 2013 werden in Ashgabad deutsche Sprachkurse unter der Fachaufsicht des Goethe-Instituts angeboten, was wirklich eine Neuerung ist.

Inwieweit gibt es Vorhaben, das Sprachkursangebot in Kasachstan auszuweiten?

Wir sind gerade dabei, auch Sprachkurse im Westen und Süden Kasachstans zu unterstützen. Und wir arbeiten natürlich stetig daran, das Sprachkursangebot am Goethe-Institut Almaty auszubauen.

Wie lange bist Du schon in Kasachstan?

Ich sollte im Dezember 2008 ausreisen, konnte es aber erst im Januar 2009. Ich bin also schon fünfeinhalb Jahre in Kasachstan. Ich wäre gerne sechs Jahre geblieben, darauf hatte ich mich von Beginn an eingestellt. Als nächsten Standort wollte ich gern nach Kiew, und da diese Stelle schon in diesem Herbst frei wurde, gehe ich jetzt ein bisschen früher als geplant.

Ist Kasachstan deine erste Station im Ausland gewesen?

Es ist meine erste Station am Goethe-Institut, aber ich habe vorher vier Jahre in der Mongolei beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gearbeitet. Zwischen den Aufenthalten in Ulan Bator und Almaty habe ich vier Jahre in Berlin gelebt. Aber auch schon während meines Studiums war ich viel im Ausland. Ich habe in Frankreich, St. Petersburg und Moskau studiert. Dort habe ich nach dem Studium auch zwei Jahre gearbeitet.

Du bist also auch von der russischsprachigen Hemisphäre angezogen?

Ja. Ich fühle mich da wohl, weil ich mich auskenne und vor allem mich auch sprachlich orientieren kann. Die sprachliche Integration in das Gastland ist für mich sehr wichtig. Meine Russischkenntnisse haben mich aber leider davon abgehalten, Kasachisch zu lernen, da ich mich ja auch ohne Kasachischkenntnisse überall verständigen kann.

Kannst Du dich noch an deine ersten Tage hier in Kasachstan erinnern?

Ich habe festgestellt, dass doch sehr vieles neu für mich war in Kasachstan. Ich musste mich erst einmal orientieren.

In Almaty waren es am Anfang die vielen kleinen Häuser, die ich während der Fahrt vom Flughafen in die Stadt gesehen habe. Das hat mich beeindruckt, da ich mir die Stadt so nicht vorgestellt hatte. Heute hat sich Almaty sehr verändert, aber die Fahrt vom Flughafen ins Zentrum erinnert mich noch immer an meinen ersten Tag in Almaty.

Ich mag Almaty wirklich. Es ist eine schöne grüne Stadt. Und dass die Berge so nah sind, hatte ich vorher nicht realisiert, obwohl mir eine russische Freundin erzählte, dass man mit dem Bus in die Berge fahren kann. Ich finde die Stadt sehr ansprechend und meine, dass mehr Werbung für Almaty gemacht werden sollte.

Es beeindruckt mich bis heute, was man hier im Alltag und in der Freizeit alles machen kann. Das fasziniert mich. Almaty ist einerseits eine intellektuelle Stadt, zum Beispiel mit einer interessanten Kunstszene und einer engagierten Gesellschaft. Andererseits ist das Freitzeitangebot mit den Bergen und dem Ili-Fluss in der Nähe attraktiv.

Woran musstest Du dich erst einmal gewöhnen in Kasachstan?

Wie gesagt, für mich war es so unerwartet, dass alles so offen ist. Ich hatte nicht so viele Probleme, mich zurechtzufinden, wie ich erwartet hatte. Aber es gibt viel neues und eigenständiges Denken. Zum Beispiel war für mich die Erfahrung neu, dass Kasachstan ein wichtiger Mittelpunkt im gesellschaftlichen Diskurs ist. Aus Deutschland kenne ich das so nicht. Deutschland ist mehr europa– und weltorientiert, und hier kreist vieles um das eigene Land, dessen Aufbau, Vergangenheit und Zukunft. Ich musste mich bei diesen nationalen Themen immer etwas zurückhalten, um diese nicht falsch zu beurteilen, weil Patriotismus hier viel positiver gesehen wird als in Deutschland.

Was war Deine Motivation, für das Goethe-Institut Almaty zu arbeiten?

Ich wollte etwas Neues machen und mich in einem neuen Sprachraum auskennen. Das Goethe-Institut ist für mich einer der interessantesten Arbeitgeber mit vielen Möglichkeiten. Hier kann ich viele Ideen und Projekte in Kooperation mit dem Gastland verwirklichen. Mich hat es auch interessiert, in einem zentralasiatischen Land zu arbeiten, das noch im russischen Sprachraum liegt, in dem ich mich orientieren und ausdrücken kann. Ich wollte auch etwas Neues entdecken.

Was wird Dir aus Almaty und Kasachstan in Erinnerung bleiben?

Als Erstes der Blick aus meiner Küche auf die Berge. Almaty ist eine große Stadt mit vielen kurzen Wegen. Und Kasachstan ist ein wahnsinnig schönes Land. Ich bin in den fünfeinhalb Jahren viel gereist und war fast überall, außer im Westen des Landes. Ich habe es einfach zeitlich nicht geschafft, was sehr schade ist.

Wenn Du so Bilanz ziehst über Deine Arbeit und die Lage der Deutschen Sprache, was hat sich in dieser Zeit getan?

Eine Grundaufgabe von uns ist es, nach dem europäischen Referenzrahmen zu arbeiten und unsere Seminare danach auszurichten. Auf diesem Gebiet hat sich ziemlich viel getan. Deutsch ist nicht mehr die einzige Fremdsprache, die nach diesen Kriterien gelernt werden soll. Die Englischlehrer müssen jetzt auch nach festgelegten Standards arbeiten.

Als ich hier ankam, begann gerade der Abwärtstrend der Lernerzahlen für Deutsch. Der schwerwiegendste Grund dafür ist wohl, dass Deutsch in den meisten Schulen (außer in einigen PASCH-Schulen) nicht mehr als erste Fremdsprache gelehrt wird. Aber ich glaube, dass wesentlich mehr Schüler und Erwachsene Deutsch lernen wollen, als die Lernerzahl, die in der Schule noch abgedeckt wird. Wir haben zum Beispiel am Goethe-Institut Almaty und an den Sprachlernzentren steigende Kursteilnehmerzahlen, und ich bin davon überzeugt, dass Deutsch als zweite Fremdsprache hier ein gutes Standbein hat, das sich gut entwickeln kann. Daran haben wir in den letzten fünf Jahren intensiv und mit einigem Erfolg gearbeitet. Hier sehe ich gute Zukunftschancen. Es sind viele Kooperationen in dem Bereich Deutschförderung entstanden. Daran muss man weiterarbeiten, und darin sehe ich eine gute Perspektive. Man muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass Deutsch als erste Fremdsprache intensiv in Kasachstan gelernt werden soll, so wie das noch zu Sowjetzeiten war. Diesen Stand wird man nicht mehr erreichen. Jedoch als zusätzliche Fremdsprache in Schule und Universität.

Im Goethe-Institut lernen pro Jahr ca. 1.400 Kasachstaner Deutsch. Vor fünf Jahren gab es nur ca. 850 Kursteilnehmer. Diese Tendenz zeigt, dass die Nachfrage nach Deutsch in der Gesellschaft wächst. Die Angst, dass in Kasachstan überhaupt kein Deutsch mehr nachgefragt wird, ist nicht berechtigt. Wir haben den Punkt erreicht, wo die starke Nachfrage nach Englisch stagniert oder sogar wieder leicht fällt. Die Phase der intensiven Aus– und Fortbildung der Englischlehrer ist abgeschlossen, und nun schaut man sich langsam wieder nach anderen Sprachen um, das heißt die Mehrsprachigkeit für Schüler und Studenten rückt in den Blick.

Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Dominik Vorhölter

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