Modelle zur Integration der Nachfolgestaaten der Sowjetunion gab es schon einige. Dabei galt auch die EU lange als Vorbild, hat aber nach Ansicht von Kolumnist Bodo Lochmann mit den aktuellen Problemen der Eurozone an Strahlkraft verloren.

Seit dem Zerfall der UdSSR und dem Entstehen selbständiger Nationalstaaten auf deren früherem Territorium vor nunmehr etwa 20 Jahren wird im größten Teil des postsowjetischen Raumes (außer den baltischen Staaten, denn die sind ja Mitglied der EU) mit unterschiedlicher Intensität über Notwendigkeit und Formen einer wirtschaftlichen Integration gestritten. Während in den 1990er Jahren in den meisten postsowjetischen Staaten die Meinung oder eher die Illusion vorherrschte, dass man es alleine nun viel besser machen könnte als im Sowjetverbund, ist zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts in dieser Hinsicht doch eher Ernüchterung eingetreten. Seitdem gab und gibt es eine große Anzahl von Vorschlägen und auch praktischen Versuchen, wenigstens eine Teilintegration in Gang zu setzen. In einigen Fällen waren daran nur ehemalige Sowjetrepubliken beteiligt, in anderen Fällen (vor allem die „Shanghaier Organisation der Zusammenarbeit“) geht es deutlich darüber hinaus. Der Mehrzahl der bisherigen Integrationsversuche war kein großer Erfolg beschieden.

Was die viel beschworene Notwendigkeit der engeren Zusammenarbeit der zentralasiatischen Staaten betrifft, gibt es hier vor allem zwei wesentliche Hindernisse: Zum einen ist der Austausch von Wirtschaftsleistungen zwischen den Staaten ziemlich gering. Insbesondere Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan sind mit ihrem Rohstoffreichtum auf die Exportmärkte des Westens angewiesen, und auch nur dort können die Dinge beschafft werden, die man zur Modernisierung der eigenen Wirtschaft braucht. Wenn aber das gegenseitige Außenhandelsvolumen nur gering ist, besteht naturgemäß auch keine ausgeprägte Notwendigkeit der engeren Zusammenarbeit, denn der Verbund von zwei Armen ergibt noch keinen Reichen. Zum anderen sind die politischen Eliten, voran die Präsidenten, sind nicht unbedingt an einer Integration interessiert, denn das könnte ja perspektivisch Machtverlust bedeuten.

So bleibt als einzig bisher funktionierendes Integrationsobjekt die im vergangenen Jahr an den Start gegangene Zollunion zwischen Russland, Kasachstan und Weißrussland. Ein Schritt, der prinzipiell in die richtige Richtung weist, denn schließlich ist zwischen diesen drei Staaten ein intensives Handelsgeschehen zu verzeichnen. Doch auch für die Zollunion steht die Frage, wohin strategisch der Weg gehen soll. Zwar ist mittelfristig wohl noch genug zu tun, um die jetzigen Gegebenheiten der Zollunion zu optimieren, doch die Strategiefrage wird sich nicht von allein erledigen.

In letzter Zeit wird zum Teil mit, zum Teil auch ohne Zusammenhang zur Zollunion vermehrt der Begriff „Euroasiatische Integration“ ins Spiel gebracht und diskutiert. Er scheint von Russland auszugehen und zielt wohl auf die engere Anbindung der südlich Russlands gelegenen und eher asiatisch geprägten ehemaligen Sowjetrepubliken, zu denen naturgemäß noch eine Vielzahl von Verbindungen von früher gegeben ist. Mittlerweile wird diese euroasiatische Integration aber auch locker auf die Zusammenarbeit zwischen den zentralasiatischen Staaten und Westeuropa angewendet. Das ist ja nicht verboten, doch die Frage der inhaltlichen Ausgestaltung der Idee steht. Klar, Rohstoff- und Technologiepartnerschaften sind ebenso wie klassische Handelsabkommen an sich schon Integrationsinstrumente. Doch die funktionieren meist auch ohne spezielle großflächige Integrationsstrukturen.

Nun war bis vor ein paar Jahren die Diskussion der Kategorie „euroasiatische“ Integration eher klar: keine überzentralisierten Strukturen mehr, wie zu Sowjetzeiten, hin in Richtung Europäische Union. Das Programm Kasachstans „Weg nach Europa“ war (vielleicht ist es das auch noch?) eine Richtschnur für entsprechendes Handeln. Doch mit den Problemen der Eurozone hat das europäische Modell an Attraktivität verloren, auch wenn die Grundideen ohne Abstriche aktuell bleiben und auch den postsowjetischen Staaten eine Entwicklungsperspektive aufzeigen würden. So bleibt es beim Problem der Suche nach einer Integrationslösung, die viele, mittlerweile doch unterschiedlich entwickelte Partner verkraften kann, ohne dass die Geburtsfehler der EU wiederholt werden. Das wird sehr schwierig werden. Einiges gewonnen wäre bei der Gestaltung einer solchen Integration schon, wenn die Aussage eines russischen Kollegen während einer Konferenz zur genannten Problematik „Schlechter wird’s wohl kaum werden“ nicht die Leitschnur des Handelns in Sachen Integration würde.

Bodo Lochmann

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