Auf in den Osten! Zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung sind mehr Menschen aus Westdeutschland in den Osten gezogen. So verzeichneten die neuen Bundesländer laut Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) 2017 einen Wanderungsgewinn von rund 4.000 Menschen. Bezieht man die deutsche Hauptstadt Berlin mit ein, sind es sogar 13.000 Menschen.

Damit ist die jahrelange Ost-West-Wanderung vorerst gestoppt. Seit 1991 hatten die ostdeutschen Flächenländer mehr als 1,2 Millionen Bürger durch Wegzüge an den Westen verloren. Gründe lagen vor allem in den besseren beruflichen Perspektiven, die sich viele in den alten Bundesländern erhofften. Selbst im 30. Jahr nach dem Mauerfall sind die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Ost und West noch spürbar: So gibt es im Osten weniger Industrie, die Arbeitslosenquote ist höher; Löhne und Renten sind niedriger, zum Teil aber auch die Lebenshaltungskosten.

Von Süd nach Nord

Wie in Deutschland sind auch in Kasachstan die urbanen Zentren besonders beliebt. Astana, Almaty, Schymkent sind Millionenstädte, die wachsen. Die kasachische Regierung begrüßt das. Allerdings betrug die Urbanisierungsrate 2016 laut Schätzungen gerade einmal 53,2 Prozent. Doch nicht nur die Urbanisierung soll vorangetrieben werden. Die Regierung fördert auch die Binnenmigration zwischen den einzelnen Regionen. So teilte der Pressedienst des Ministeriums für Arbeit und sozialen Schutz der Bevölkerung am Montag mit, dass 6.766 Kasachstaner entsprechend der regionalen Quote 2018 vom Süden in den Norden des Landes gezogen seien.

Demnach sind 31 Prozent in das Gebiet Pawlodar gezogen, 27 Prozent nach Ostkasachstan, 22 Prozent nach Nordkasachstan und 16 Prozent in das Gebiet Kostanai. Die meisten Umsiedler verließen die Gebiete Turkestan (36 Prozent), Almaty (28 Prozent), Schambyl (15 Prozent) und Qysylorda (13,5 Prozent). Wirtschaftlich gesehen, dominiert im Norden der Landwirtschaftssektor, im Osten die Metallindustrie. Im Süden hingegen ist es vielmehr der Dienstleistungs-, Landwirtschafts- und Energiesektor.

Umziehen im eigenen Land

Begründet wird die Quotenregelung offiziell mit einem Überschuss an verfügbaren Arbeitskräften im Süden. 2018 war die regionale Umverteilungsquote auf 1.517 Familien beziehungsweise 6.363 Personen festgelegt worden. Von den 6.766 Menschen oder 1.858 Familien, die dann tatsächlich aus dem Süden in den Norden gezogen sind, sind 48 Prozent im erwerbsfähigen Alter. Von ihnen wiederum stehen 70 Prozent (2.208 Menschen) in einem festen Arbeitsverhältnis. 180 Menschen sind selbst unternehmerisch tätig und 112 machen an ihrem neuen Wohnort eine Ausbildung.

Geförderte Migration

Tatsächlich leidet der Norden seit der Unabhängigkeit Kasachstans unter einem Bevölkerungsschwund. Vor allem die Deutschen und Russen, die in der Sowjetzeit dort angesiedelt worden waren, haben das Land verlassen. Ethnische Kasachen machten lange Zeit nicht einmal die Hälfte der Einwohner aus. Heute trifft das nur noch auf die Gebiete Kostanai und Nordkasachstan zu, wo noch immer Russen die Bevölkerungsmehrheit stellen.
Auch deshalb fördert die Regierung den Wegzug aus den Gebieten Almaty, Schambyl, Mangystau, Turkestan und Qysylorda in Richtung Norden. In diesen Regionen beträgt der Bevölkerungsanstieg jährlich mehr als zwei Prozent und die Bevölkerungsdichte mehr als 6,4 Menschen pro Quadratkilometer. Im Rahmen des Programms „Jengbek“ (Arbeit) erhalten die Umsiedler pro Familienmitglied eine Einmalzahlung von 88.000 Tenge (ca. 200 Euro). Im ersten Jahr gibt es zudem pro Familie einen Mietkostenzuschuss zwischen 39.000 und 76.000 Tenge. Firmen, die mindestens fünf Umsiedler einstellen, sollen zudem für jeden neuen Mitarbeiter Subventionen in Höhe von 1.136.000 Tenge erhalten.

Des Weiteren wurde ein Programm ins Leben gerufen, welches nicht nur Geschäftsideen von Umsiedlern innerhalb des Landes, sondern auch von Oralmanen – ethnische Kasachen, die aus dem Ausland zurück nach Kasachstan ziehen – in Höhe von bis zu 252.000 Tenge bezuschusst. Auch diejenigen Oralmanen, welche das Rückkehrer-Programm nutzen, werden vorzugsweise im Norden angesiedelt. Ab 2019 soll zudem der Erwerb und Bau von Wohneigentum gefördert werden.

In Deutschland erhalten Menschen, die in den Osten ziehen, keine Prämie. Die neuen Bundesländer sind durch Infrastrukturausbau und neue Jobmöglichkeiten attraktiver geworden. Dem Norden Kasachstans mangelt es hingegen nicht nur an Infrastruktur; er leidet auch unter dem kalten Klima: Sibirische Kälte ist im Winter nichts Ungewöhnliches. Dennoch könnte die Regierung mehr in die nördlichen Regionen an sich investieren – das käme letztendlich auch den Menschen zugute.

Othmara Glas

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