Premiere im Kulturhaus ARO: Das Deutsche Theater Almaty führte am 30. März Bertolt Brechts „Die Ausnahme und die Regel“ auf.

Unter unmenschlichen Bedingungen offenbaren Menschen, wozu sie wirklich fähig sind: In der Wüste sind drei Männer auf einer Expedition unterwegs. Ein Kaufmann namens Karl Langmann, ein Träger und ein Führer. Als der Wasservorrat der drei zur Neige geht, vermutet der misstrauische und gewinnsüchtige Kaufmann hinter einer harmlosen Wasserflasche ein Mordinstrument – einen Stein, mit dem er angeblich durch seinen eigenen Träger erschlagen werden sollte. Ein Schuss zerreißt die Stille. Ein lebloser Körper sinkt zu Boden.

In solchen extremen Situationen auf Leben und Tod könne man nichts Menschliches mehr voneinander erwarten, sondern werde nur noch auf das Böse und Schlechte im anderen treffen.

So jedenfalls argumentiert die weise Richterin in der Inszenierung von Brechts Lehrstück „Die Ausnahme und die Regel“, welches von Schauspielern des Deutschen Theaters Almaty am 30. März aufgeführt wurde. Justitia ist mit vier Armen dargestellt, um ihre Allmacht zu verdeutlichen. Das, was sie zu verlauten hat, erfreut den Angeklagten und lähmt die Ankläger. Das Verhalten des Kaufmanns wird mit Vorsicht und Wachsamkeit in einer Schrecksekunde erklärt, der Mord am Träger durch Notwehr entkräftet. Der Kaufmann Karl Langmann wird freigesprochen.

Als Groteske zum Nachdenken deklariert, beginnt das Theaterstück mit einem Appell an die Zuschauer, worauf sie beim Schauspiel achten und wie sie das Stück wahrnehmen sollen. Regisseur Kubanytschbek Adylow inszenierte „Die Ausnahme und die Regel“ so, als ob der Geist Brechts von der Bühne spricht:

Was nicht fremd ist, findet befremdlich!
Was gewöhnlich ist, findet unerklärlich!
Was da üblich ist, das soll euch erstaunen!
Was die Regel ist, das erkennt als Missbrauch!
Wo ihr den Missbrauch erkannt habt, da schafft Abhilfe!

Die Schauspieler des DTA begeisterten vor allem durch ihre ausgezeichnete Aussprache, denn das Stück wurde in Deutsch mit russischer Synchronübersetzung gespielt. Auch die musikalische Begleitung war keine schlichte Untermalung mit Geige und Klavier, sondern eine eigene Komposition. Selbst die Musiker nahmen am Bühnengeschehen teil.

Das Lehrstück, welches Brecht in den Jahren 1931-37 schrieb, gehört zu seiner ersten Schaffensperiode, bevor er mit seinem Stil das epische Theater prägte.

„Die Ausnahme und die Regel“ gilt als eindeutig gesellschaftskritisches Stück aus der Zeit Brechts. Es soll zum kritischen Hinterfragen anregen, dazu auffordern, das Übliche in Frage zu stellen und nichts gedankenlos hinzunehmen.

Kern des Stücks ist daher nicht der Mord in der Wüste, sondern die Gerichtsverhandlung, die mit der endlosen Vorschriftenreiterei zur Farce gerät.

Obwohl der Führer der Expedition die „Wahrheit“ über die Vorkommnisse ausspricht, wird sie nicht erhört. Der Angeklagte bekommt Recht, und der Tote hatte auf einmal ein gutes Motiv, den Kaufmann zu erschlagen. Dieses empörende Gerichtsurteil lässt die Anwesenden erstarren: die Schauspieler zeigen mit grotesken bizarren Bewegungen, wie gelähmt sie von der Freisprechung sind – oder wie eingesperrt in ein Leben nach strengen Regeln.

Mit diesem Lehrstück habe Brecht „das System“ und bestehende Machtstrukturen zu seiner Zeit anklagen wollen, erklären Theaterschulen. Ihm sei es wichtig gewesen, sowohl bei den Schauspielern, als auch bei den Zuschauern kritisches politisches Verhalten zu schulen.
Letztendlich lässt Brecht im Stück das System gewinnen, so dass sich der Zuschauer fragt: Was ist die Wahrheit? Nichts ist so, wie es anfangs scheint – dies ist eine der Lebensweisheiten, die den Zuschauern durch die Premiere von „Die Ausnahme und die Regel“ mit auf den Weg gegeben wird.

Zum Internationalen Tag des Theaters zudem eine überaus gelungene und beeindruckende Aufführung des Deutschen Theaters Almaty!

Quelle: gesellschaftfürtheaterpädagogik.de

Von Malina Weindl

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