… wenn alle den selben Humor haben. Hat man aber meist nicht, und erst recht nicht, wenn viele Menschen aufeinander treffen.

Und so kam es, dass die bosnischen Militärs und Vertreter der Volksbank in Sarajewo bei einer Rafting-Tour, zu der der österreichische Militärattaché eingeladen hatte, die Sache etwas anders angingen als die Gruppe der deutschen und österreichischen Damen. Die Gruppen teilten sich gleich beim Frühstück, als die einen den Ausflug mit Wodka oder Sliwowitz und dazu laute Trinksprüche im Chor losließen – die Bosnier – und wir anderen dabei zusahen und uns erschrocken wegduckten. Seitdem wichen wir Memmen uns gegenseitig bis zur Bootsverteilung nicht mehr von der Seite, damit wir auf keinen Fall von unserer Lämmerherde getrennt und inmitten einer solch rauen Bande geraten würden.
Es war herrlich zu sehen, wie gestandene Leute – von uns auslandserfahrenen wackeren Lektoren, über Vertretungen aus der Handelskammer und der Volksbank bis hin zum Schweizer Botschafter – alle wegen des neuen Abenteuers in Aufregung verfielen. In einem fort wurde der Militärattaché mit Fragen bombardiert: Können wir unsere Brillen auflassen? Was mache ich mit meinen Schuhen? Wo können wir uns umziehen? Wo vorher noch mal zur Toilette gehen? Wird es zu heiß oder zu kalt? Ziehe ich was unter den Neoprenanzug drunter? Kommen die Shorts oben drüber? Nachdem der Attaché all die Fragen lässig und geduldig beantwortet hatte, konnte es losgehen.

Da standen sie dann, unsere Skipper, einer neben dem anderen, halbnackt und braungebrannt, durchtrainiert, einer schöner als der andere, und freuten sich schon. Bis auf unseren Skipper, der sehr enttäuscht war und blieb, dass er uns abbekommen hatte. `Hey, wir sind aber auch stark und können tapfer und mutig paddeln´, gaben wir zu verstehen. Aber das war nicht der Punkt. Später stellte sich heraus, dass es nicht darum ging, schnell und mutig zu paddeln, sondern sich möglichst oft gegenseitig nass zu spritzen. Was uns unser Skipper von Ferne ansah, war, dass es sich bei uns um ausgemachte Spaßbremsen handelte. Die Attacken gingen wenige Meter nach dem Ablegen los, durchweg am schlimmsten waren die Vertreter der Volksbank. Nun gut, als osteuropäisch-fideles Völkchen Tag für Tag in Schlips und Anzug Form wahren, da muss die Lebensfreude eben ab und zu raus. Was könnte sich besser eignen als eine Raftingtour?! Eben! Und so versuchten wir, nachdem unsere schüchternen Versuche, uns zu wehren, kläglich gescheitert sind, möglichst nicht in die Nähe der anderen Boote zu geraten beziehungsweise uns möglichst leise und unauffällig an diesen vorbeizuschleichen. Unser Skipper machte uns immer wieder einen Strich durch die Rechnung und zettelte Kleinkriege an, bis wir endgültig genug davon hatten und in einem unbeobachteten Moment kurzerhand davoneilten. Damit wurde die Bootsfahrt wirklich schön, auch wenn es mit Rafting nicht viel gemein hatte, was uns aber gar nichts ausmachte. Allzu seicht ging es durch schöne Schluchten, mit dem Paddel wedelten wir nur der Form halber im Wasser herum, das nicht tiefer als einen Meter war, und sehr selten gab es einen klitzekleinen Strudel. Herrlich! Allein der Skipper langweilte sich sehr und stieß immer wieder verdrossen mit dem Paddel im Wasser herum. Was wir auch verstehen konnten, denn für ihn musste es sein wie für einen Rodeoreiter, der dazu verdammt wird, auf einer Kirmes-Ponybahn Runde um Runde zu drehen. Aber nun ja, Dienstleistung ist Dienstleistung und wir waren schließlich die Kunden! Für total bescheuert hielt uns der Skipper allerdings, als wir alle miteinander versuchten, eine Biene und einen Salamander vor dem Ertrinkungstod zu retten. Wir gaben nicht auf, die beiden Tiere schafften es dennoch nicht, wir waren traurig und der Skipper verständnislos. Am Ende kamen alle wohlbehalten, glücklich, müde und nass wieder an. Wir Brillenträger suchten etwas, womit wir unsere Gläser säubern konnten. Einzig der Schweizer Botschafter hatte noch ein trockenes Tuch, wie ich bemerkte, sein T-Shirt. Doch eine Dame meinte, nein, man könne doch unmöglich das T-Shirt eines Botschafters benutzen, um die Brille damit zu reinigen. Wenn sie meint!

Alles in allem hatten wir einen prima Ausflug, auch wenn er sich nicht als Beitrag zur Völkerverständigung erwies, denn näher gekommen sind wir uns wahrlich nicht. Die Bosnier wurden wahrscheinlich darin bestärkt, dass wir Westeuropäer ein verschnupftes, humorloses, steifes Völkchen sind. Und wir konnten unser Vorurteil festigen, dass es sich bei den mittelosteuropäischen Militärs und Bankvertretern um hemmungslose, versoffene, laute Gesellen handelt. Aber zumindest fanden wir den Ausflug – jeder für sich genommen – übereinstimmend schön, wenn wir ihn auch nicht gemeinsam erlebt haben.

Julia Siebert

01/08/08

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