Ich bin gerne Fan. Von allem Möglichen – Schauspielern, Schriftstellern, Musikern oder auch einzelnen Werken. Nur Sport habe ich noch nicht in meinem Repertoire. Das will ich jetzt ändern.


Mein Potenzial als Sportfan habe ich schon unter Beweis gestellt. Ich gehe gern in Stadien, kann mich für Fußball, Basketball und Eishockey begeistern. Habe Fan-Schals von den Kölner Haien und vom 1. FC Köln. Kann die FC-Hymne auswendig und stelle mich im inländischen Ausland vor „meinen“ Verein, auch wenn wir zum 100. Mal absteigen. Das macht mich aber noch nicht zu einem waschechten Fan. Es gibt keine Gelegenheits-Fans, Fan ist Fan. Ich könnte mich weiter in den 1. FC Köln oder die Kölner Haie einarbeiten, aber da ich große Menschenmengen scheue, brauche ich einen übersichtlicheren Verein. Den habe ich nun gefunden. Mein Fan-Mentor Thilo ist ein echter Fachmann und hat die Spiele in den unteren Ligen für sich entdeckt: „Das ist noch richtiger Fußball.“ Ich weiß nicht, was er damit meint, aber ich war sofort überzeugt. Mein Verein heißt: Fortuna Köln. Nun betrete ich die Fan-Schule.

Zur Einschulung habe ich mir einen Fan-Schal besorgt. Das ist neben dem Würstchen und Bier das wichtigste Utensil auf dem Platz. Apropos Platz, wo spielen die überhaupt? Südstadion, aha. Wo ist das genau, wie kommt man da hin, wo geht man da rein? Wie gut, dass Thilo so geduldig ist. Mein Lernziel: Ein richtiger Fan findet den Weg zum Stadion auch im Koma. Dann der Kartenkauf. So viel weiß ich schon: Bloß nicht im falschen Fanblock landen! Thilo ergänzt: „Sitzplatz Tribüne geht gar nicht, ein richtiger Fan steht!“ Ein fortgeschrittener Fan steht natürlich bei den Stimmungsmachern mit den beschrifteten Betttüchern, Trommeln und Tröten. Aber bis dahin ist es ein noch langer Weg.

Dann kam endlich der große Tag. Ich trug zur Einstimmung Stunden vor Abfahrt meinen Fan-Schal ein und schwitzte mich zu Tode, bis ich endlich los durfte. Unterwegs spingste ich möglichst unauffällig auf meinen Fahrplan, schielte aus dem Augenwinkel auf die Schals der anderen Fahrgäste, aha, 1. FC Köln, andere Baustelle; fragte mich, ob mein Fortuna-Fantum cool und Kult ist oder eher die Fraktion „Pinkelbecken“; war erleichtert, als ich mit Bahnwechsel endlich meine Fan-Kollegen traf; nickte ihnen zu (macht man das so?), in der Hoffnung, dass mich niemand in ein Fortuna-Fachgespräch verwickeln würde. Am Stadion stellte ich mich, meine Unsicherheit überspielend, cowboyhaft vor dem Eingang auf, als wäre das mein Stammplatz. Hoffend, dass die vorbeiziehenden Hooligans nicht zu uns gehörten, ich möchte keine Gewaltbereitschaft unter meinen Mitfans! Als sie näher kamen, dann doch hoffend, dass es die eigenen seien, damit ich keine aufs Maul …

Während des Spiels erfuhr ich von Thilo, dass wir in der 4. Liga spielen (ach so?), woran ich meine Mannschaft erkenne (aha!) und was von diesem Spiel abhing (häh?). Der Vorschlag, die Currywurst kurz vor Ende der ersten Halbzeit zu holen, um nicht Schlange stehen zu müssen, führte mich in Versuchung. Denn ich liebe Currywurst und hasse Schlange stehen. Aber ich besann mich und bestand die Prüfung: Ein echter Fan lässt seine Mannschaft nicht einer Wurst wegen im Stich. Aber Thilo ist ja auch kein Fan, sondern Fachmann, der für die bessere Mannschaft klatscht, und sei es die gegnerische. Was er auch bei diesem Spiel tat, ich natürlich nicht. Nun bin ich jedoch versetzungsgefährdet, weil ich jüngst die beiden Aufstiegsspiele verpasst habe. Egal, Hauptsache: Tooor!

Julia Siebert

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