Das Jahr 2015 stand ganz im Zeichen der Gedenkfeier „70 Jahre Sieg über den Nationalsozialismus“: Zeitzeugen erinnerten sich an die entsetzliche Zeit vom 22. Juni 1941 bis 9. Mai 1945, in der die Sowjetunion um Leben und Tod gegen die Nationalsozialisten kämpfte. Seite an Seite mit anderen sowjetischen Nationalitäten haben die Sowjetdeutschen alles für den Sieg gegeben – sowohl an der Front als auch im Hinterland.

Erinnerungen an schwierige Zeiten am 8. Mai 1980 veröffentlicht)

[…]  Der Sergeant Peter Benzler war im ersten Kriegsjahr an der Front tätig – und musste viele bedrohliche Situationen meistern. Jeder seiner Tage an der Front, sogar jede Stunde des Jahres 1941 könnten jeweils volle Kapitel in einem dicken Roman füllen. Seine Wege als Verbindungssoldat führten Benzler durch die Gebiete südwestlich und nördlich der Städte Brjansk, Smolensk, Orjol. Von Sommer bis Anfang Winter 1941 fand hier eine der schlimmsten Perioden des Großen Vaterländischen Krieges statt, da unsere Soldaten nach einem erbitterten Kampf gezwungen waren, sich zurückzuziehen.

Seine Feuertaufe erhielt Benzler am 22. Mai im westlichen Teil von Brjansk, genau einen Monat nach Kriegsbeginn. Das war an jenen Tagen, an denen Hitlers Soldaten in den Osten einmarschierten und an denen ihnen bald schon ihre eigene, von ihnen hochgelobte Blitzkrieg-Taktik zum Verhängnis werden sollte.

Nie wird Benzler diesen Kampf vergessen, in dem der Feind an Zahl und Kriegstechnik weit überlegen war. Mit ihren Schützenpanzerwagen, Batterie-Haubitzen, Maschinengewehren, Granatwerfern und Sturmgewehren verübten die Nationalsozialisten eine Attacke nach der anderen. Es schien, als ob die Erde brannte und der Himmel weinte. All dies hielt die Sowjetsoldaten jedoch nicht davon ab, standzuhalten und jeden Zentimeter ihrer Heimat zu verteidigen.

Sergeant Benzler verlor viele seiner Kriegskameraden, Freunde und Landsmänner, so auch Igor Talapow und Karl Bauer; er ließ sie gemeinsam am Rande eines Birkenhains begraben.

Es war ein hoher Preis, den die Sowjets für den langersehnten Sieg bezahlen mussten.
„Der erste Kampf war doch bestimmt Ihr schwierigster?“

Benzler antwortet nicht sofort, zögert einen Moment und sagt dann: „Nein, später kamen noch viele Situationen, die viel brenzliger waren. Aber eines ist sicher: die psychisch belastenden Situationen waren die härtesten…“ Als Kommandeur der Verbindungseinheit hatte Peter Benzler die Aufgabe, dringende Nachrichten an den Regimentsstab weiterzuleiten. Dabei erteilte er Befehle an 13 ihm unterstellte junge und unerfahrene Soldaten.

Einmal führte ihn sein Weg durch feindliche Positionen. Er konnte sich nur auf einem schmalen Streifen entlang einer Eisenbahnstrecke fortbewegen – fliehen war unmöglich, da er weiter links auf feindliche Positionen ziehen würde und sich rechts undurchdringliches Moorland erstreckte. Um Mitternacht setzte sich Benzler auf sein Pferd und ritt sechs bis sieben Kilometer, bis er die Eisenbahnstrecke erreicht hatte und sich von da an langsamer fortbewegte, damit das Getrappel der Pferdehufe nicht zu hören war. Er hatte schon zwei Drittel des gefahrvollen Weges hinter sich, als in seiner unmittelbaren Nähe plötzlich ein lauter Ruf ertönte: „Stehenbleiben!“ Und genau in diesem Moment gab er dem Pferd ohne zu überlegen die Sporen, warf sich nach vorne und ritt im Zickzack in Richtung der Desna davon. Auf ihn wurden Schüsse abgefeuert, rechts und links von ihm explodierten Minen, während sich sein Pferd schnell wie der Wind fortbewegte, um dem Höllenfeuer zu entkommen. Die Fernsprechvermittlungseinrichtung wurde dabei zerstört und seine Soldatenuniform durchlöchert.

Am Ufer der Desna konnte er endlich erleichtert aufatmen. Er drückte sein Pferd an sich und streichelte es liebevoll. Um seinen Weg fortzusetzen und den breiten Fluss zu durchqueren, musste er sich weiter auf seinen vierbeinigen Kameraden verlassen, da er nicht schwimmen konnte.

Als ihn nur noch zwei bis drei Meter vom gegenüberliegenden Ufer trennten, wurde ein weiterer Angriff auf ihn gestartet: es waren einige Schüsse zu hören, und das Pferd verlor den Halt…

Dem Sergeant und Kommandeur der Verbindungseinheit gelang es schlussendlich, den Befehl erfolgreich auszuführen und zu erledigen, was ihm aufgetragen wurde. Als er jedoch nun davon erzählt, bleiben ihm die Tränen im Hals stecken. „Es tut mir so leid um das Pferd“.

Der Frontsoldat, der wie viele andere erheblich zum Sieg über den Nationalsozialismus beigetragen hatte, war glücklich über den wolkenlosen Himmel des Friedens und die strahlende Sonne, die seit 35 Jahren friedlich über dem Land scheint, sowie über das Aufblühen seines kleinen Heimatdorfes Woskresenowka in der Steppe. Bis zu seinem Ableben tat er alles in seiner Macht Stehende, um den Frieden im Land zu wahren.

Die Frontsoldaten, unsere Landsmänner, die Sowjetdeutschen, mobilisierten all ihre Kräfte, um den Großen Sieg herbeizuführen. Als am 9. Mai 1945 der Krieg gegen das nationalsozialistische Deutschland zu Ende war, atmete das ganze Land auf vor Erleichterung. Leider verschlechterte sich die Situation der Deutschen in der Sowjetunion nach dem im Dezember 1948 befürworteten Regierungsbeschluss über die Deportierung der Sowjetdeutschen nach Sibirien. Erst 1955 wurden die Deutschen von der Kontrolle vonseiten der Kriegskommandantur befreit. Sogar denjenigen Sowjetdeutschen erging es so, die an der Front kämpften und gewissenhaft ihren Militärdienst ableisteten, um die Heimat zu verteidigen und dabei erheblich zum Triumph über Hitlers Soldaten sowie zum Sieg beitrugen.

Ist es nicht mehr als berechtigt, endlich öffentlich über den Beitrag der Sowjetdeutschen zum Großen Sieg zu sprechen? Die Antwort ist offensichtlich. Allein die wenigen uns bekannten Fakten bezeugen den herausragenden Beitrag, den die Sowjetdeutschen zum Sieg über den Nationalsozialismus geleistet haben.

Swetlana Jasowskaja

Übersetzung: Sabrina Kaschowitz

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