Ein von US-Truppen verursachter Verkehrsunfall hat in Kabul die schwersten Unruhen seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 ausgelöst. Etliche Menschen wurden getötet und viele weitere verletzt. Dies ist ein zentrales Thema der Kommentare in den deutschen Zeitungen.

LANDESZEITUNG (Lüneburg)

Auf den ersten Blick hat der Westen versagt. Milliardenschwere Aufbauhilfe versickerte. Die Hauptaufmerksamkeit galt ohnehin dem Irak. Der zweite Blick offenbart, dass sich der Westen von Anfang an übernommen hat. Der Vielvölkerstaat Afghanistan ist ein untauglicher Grund, um einen Leuchtturm der Demokratie zu errichten. Nur einmal waren sich Usbeken, Schiiten, Paschtunen, Tadschiken und Taliban in der Vergangenheit einig: Als es galt, die sowjetischen Besatzer abzuschütteln. Jetzt sind sich die Warlords darin einig, den Westen in seinem Vorhaben zu stoppen, die Demokratie einem Land überzustülpen, das auf Stammesegoismen gegründet ist.

MÄRKISCHE ODERZEITUNG (Frankfurt/Oder)

Auf Messers Schneide steht mittlerweile die gesamte internationale Mission, die Demokratie und Wohlstand bringen sollte, aber zunehmend ins Chaos abgleitet. Kriegsherren und Opiummafia machen mobil, während in Berlin immer noch der Eindruck vermittelt wird, die Befriedung Afghanistans sei nur eine Frage der Zeit. Wie sich die Dinge jetzt entwickeln, kann die Uhr ganz schnell abgelaufen sein.

NEUES DEUTSCHLAND (Berlin)

Im Schatten der noch desaströseren Situation in Irak erodiert die labile Stabilität in Afghanistan. Vermehrt schreiten Selbstmordattentäter zur Tat, und seit Wochen intensivieren sich die Angriffe der Taliban im Süden des Landes. Als Antwort starten die USA wieder Flächenbombardements, die berüchtigten ‚Kollateralschäden‘ sind eine Folge. Der normale Bürger findet sich auch fünf Jahre nach dem ‚Sturz der Taliban‘ in einem niedrigschwelligen Krieg wieder.

BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG

Die Unruhen in Kabul sind ein Signal, das auch der Bundeswehr gilt. Gewiss gibt es eine in Jahrzehnten gewachsene deutsch-afghanische Freundschaft. Doch die bietet kaum Schutz vor Gewalt und Hass. Die Ablehnung ausländischer Soldaten dürfte bei einer Zuspitzung des amerikanisch-afghanischen Konflikts allen Fremden gelten. Es wäre eine ebenso fahrlässige wie gefährliche Beschwichtigung, auf die traditionell guten Beziehungen zu Deutschland zu verweisen und sie zur Sonderrolle zu überhöhen. Zur Wachsamkeit muss auch die Überlegung eines Truppenabzugs gehören. Risikoabwägung und Verantwortung für die Soldaten sind mit dem Einsatz am Hindukusch untrennbar verbunden.

Amerikanische Soldaten sollen im irakischen Ort Haditha 24 irakische Zivilisten als Vergeltungsakt für einen Anschlag erschossen haben. Nach den schweren Vorwürfen hat US-Präsident Bush eine eingehende Untersuchung und Bestrafung etwaiger Schuldiger angekündigt.

NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG

Bestätigt sich vollends, dass amerikanische Marineinfanteristen in Haditha wahllos und vorsätzlich Zivilisten getötet haben, dann heißt das zunächst: Soldaten wurden zu Rächern auf eigene Faust, Kämpfer zu Killern, gegen ihren Auftrag, auch gegen das Selbstverständnis des US-Marine-Corps und mit absehbar bitteren Folgen für die Politik ihres Landes und für die Sicherheit seiner Soldaten im Irak. Das wäre entsetzlich.

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