Es gibt Dinge, die sind ganz einfach. Theoretisch. Doch wenn man vom Reden ins Tun kommt, entpuppen sie sich als ungeahnt schwer. Ich will konsequenter Nein sagen. Und das ist gar nicht so einfach.

 

Dabei gab es mal eine Phase, in der es mir locker und leicht von den Lippen kam. Wie allen Kindern, die naturgemäß ihre Nein-Phase durchlaufen. Die Erwachsenen finden das nicht so schön. Sie möchten dem Kind nur Gutes tun und hören, dass es einen lieb hat. In der Nein-Phase können sie sich auf den Kopf stellen und ein Bein ausreißen, immer heißt es: Nein! Die Eltern hoffen, dass es nur eine Phase ist, die wieder vorbeigeht. Und wenn sie es gar nicht mehr aushalten, sorgen sie eben dafür, dass es nur eine kurze Phase ist, die wieder vorbeigeht. Subtil vermitteln sie dem Kinde, dass das Nein kein schönes Wort ist. Dass man andere, insbesondere die Eltern, traurig oder wütend macht. Und das wolle man doch ganz sicher nicht, oder?! Und dann versteht man als Kind, wie viel Seelenheil auf einem kleinen Keks lastet, den man ablehnt. Und wenn man ihn des lieben Friedens willen annimmt, liegt er einem mächtig schwer im kleinen Kindermagen. Der Keks.
In der kindlichen Unschuld denkt man, dass man für den Augenblick lebt und entscheidet. Zum Beispiel, ob man jetzt gerade Lust auf einen Keks hat. Doch einmal kein Keks, nie mehr ein Keks. Weil Erwachsene gern strukturieren und typisieren – Keksablehner oder nicht – um sich vor weiteren Schmerzerfahrungen durch Ablehnung zu schützen. Da überlegt man sich als lernfähiges Kind beim nächsten Mal zweimal, ob man das Risiko eingeht, etwas auf Dauer zu entbehren und merkt sich: Lieber erst mal annehmen und dann notfalls irgendwo ablegen. Und nimmt sein Leben lang immer viel zu viel erst mal an, das man dann auf Dachböden und in Kellern verschwinden lässt. Und das geht dann so eine Weile. Bis man als erwachsener Mensch in einer Lebenskrise dazu ermuntert wird, mehr im Hier und Jetzt zu leben, achtsam mit sich zu sein und wieder das selbstbewusste innere Kind in sich zu finden, das eigentlich genau weiß, was es will und braucht. Und im nächsten Schritt heißt es, das klar auszudrücken, zum Beispiel mit einem wohlartikulierten Nein.
Mir war schon klar, dass ein Nein auf der Empfängerseite tendenziell zu Irritation, Enttäuschung, Verstimmung, Ärger, Ratlosigkeit und Hilflosigkeit führt. Mir war nicht klar, wie wenig es akzeptiert wird. Beharrlich bleiben mir andere im Nacken und am Rockzipfel, um mir Gutes zu tun beziehungsweise ihr Weltbild zu retten, weil sie natürlich besser wissen, was ich brauche, auch wenn ich das selbst noch nicht einsehe. Einige werden sogar übergriffig, um mich zu meinem Glück zu zwingen, das für manche sogar in einer Tüte steckt. Wie verzweifelt die Verkäuferin ist, wenn ich mir das Gemüse nicht in eine Tüte packen lasse. Nein, wirklich nicht. Nein, ganz ehrlich nicht. Nein, auch wenn die Tüte kostenlos ist. Nein, danke. Nein, auch nicht die Petersilie. Nein, auch nicht die Karto … aber schon sind die Kartoffeln pfeilschnell in die Tüte gestopft. Tatsachen schaffen, wenn Argumente nicht helfen. 1:0 für die Gemüseverkäuferin! Diese Tüte musste ganz unbedingt an die Kundin gebracht werden, weil immer alle Kunden eine Tüte nehmen. Keine Ausnahme. Ohne Nein und Aber. Wo kämen wir denn sonst hin?! … Womöglich in die Irritation.
Und das war nur der Gemüsekauf – ein an sich kurzer, schneller, unauffälliger Tagesordnungspunkt! Hätte ich geahnt, dass das Neinsagen zu einem Kampfsport gerät, hätte ich es vermutlich sein gelassen. Aber jetzt aufgeben? Nein!

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