Ich brauchte heute dringend eine Diagnose vom Zahnarzt. Das Problem war, dass ich keine Zahnbeschwerden habe, sondern Schulterschmerzen. Ob der Zahnarzt sich freut, wenn man sich mit vermeintlich fachfremden Schmerzen als Notfall einweist, ihm einen klar definierten Auftrag erteilt und er die Problemstelle gar nicht selber finden darf, weil ein Osteopath schon mit Kinesiologie den Unruheherd ermittelt hat – „unten hinten links! woanders brauchen Sie gar nicht zu suchen“, war mehr als fraglich. Ich bitte Sie, wir sind hier auf dem Dorf!

Aus Sicht der Zahnärzte stellt sich das Bild in etwa so dar: Ein dicker Mops betritt einen Gemüseladen, bestellt Wurst, aber nicht, weil er Appetit auf Wurst hat, sondern weil im Mondkalender steht, dass heute Wursttag ist und er damit seinen Appetit auf Gemüse stillen will. Und er jammert, dass er diese Wurst ganz dringend braucht, weil er schon seit ewig und drei Tagen Hunger leide. Ja, finden Sie mal eine Gemüseverkäuferin, die sich ein Bein ausreißt, um solch einem Mops zu helfen. Sehen Sie, nun haben Sie die Schwierigkeit erfasst!
Gleich bei der ersten Praxis wurde ich abserviert. Also hier wäre vor sechs Wochen nichts zu machen, der Terminkalender sei rappelvoll. Aber ich wollte ja gar nicht in den Terminkalender, sondern ohne Umwege in die Röntgenkammer. Ob sie mir einen Tipp geben könne, wo in Köln man mit dringenden Anliegen nicht weggeschickt wird. Da gebe es in ganz Köln gar keine Möglichkeit, schon gar nicht kurz vor, während und nach Karneval. Wow! Hier hatte ich es mit einer waschechten Optimistin und Expertin zu tun, die auch ohne Blick in die Kristallkugel sofort alles weiß, ich war tief beeindruckt! Aber schon bei der nächsten Praxis klappte es auf Anhieb, na bitte!

Damit war ich zwar einen Schritt weiter aber noch nicht am Ziel, da der Zahnarzt Eberhard Möller heißt und darum nur bis knapp unter den Kiefer denkt und deswegen nur Orthopäden traut und deshalb ungelöste Schulterprobleme hat. Jetzt konnte er sich zwischen zwei Wegen entscheiden: weiterhin stur seinem eigenen Pfad der orthopädisch betreuten ungelösten Schulterprobleme folgen oder aber sich an meinen Rockzipfel hängen, neue Pfade beschreiten, um die Schulterprobleme zu lösen. Sie werden erraten, für welchen Weg er sich entschied. Richtig. Aber wir wollen nicht so streng sein, denn Eberhard Möller ist so alt, wie sein Name klingt, und im Alter ist es bekanntlich schwerer, sich neu zu orientieren. Das Röntgenbild gewährte er mir trotzdem, aber da er auf den ersten und zweiten Blick keinen dritten und schon gar keinen komplexen Gedankengang folgen lassen wollte, klemmte ich mir rasch das Bild unter den Arm und verschwand. Schließlich habe ich Probleme zu lösen und keine Zeit zu verlieren.

Unterwegs wertete ich das Bild mit dem dritten Blick aus und erkannte schnell: Auf der einen Seite ist was, das auf der anderen Seite fehlt: Ein Weisheitszahn. Aha, alles klar! Auf einem Bein kann man nicht stehen, und Weisheitszähne hat man keine, zwei oder vier, aber in jedem Fall nicht nur einen. Fazit: der muss weg. Je schneller, desto besser. Jetzt brauche ich noch einen Zahnarzt, der das auch so sieht, oder mir pauschal glaubt, oder einfach tut, was ich sage: dat Dingen ziehen. Doch nach den bisherigen Erfahrungen mit Zahnärzten ist es einfacher, zum Baumarkt zu fahren und eine geeignete Zange zu kaufen. Wenn man nicht alles selber macht!

Julia Siebert

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