„Was ist typisch kasachisch?“ Für Kasachen an sich genommen eine eher zweitrangige Frage. Trotzdem lohnt es sich, aus deutscher Perspektive Gedanken darüber zu machen, um die eigene und die fremde Kultur besser verstehen zu können.
„Rasende Autos und blinkende Ampeln“ – für Ausländer sind das die ersten Eindrücke, die sie im Verkehrsleben von Almaty haben. Während in Deutschland die Überquerung der gerade auf rot springenden Ampel kein Problem ist, riskiert man in Almaty Kopf und Kragen. Wer hier nicht rennt, ist selber schuld. Denn langsames Gehen über die Straßen ist zumindest ein Hupkonzert wert. Was in Almaty zur Normalität gehört, wird in Deutschland als „unverschämte Rücksichtslosigkeit“ interpretiert. Ähnlich verhält es sich mit dem in beiden Ländern existierenden Zebrastreifen. Auch die sind eine Frage der Interpretation: In der Bundesrepublik hält der Autofahrer an, in Almaty wird dieser gekonnt ignoriert. Im Rückspiegel des vorbeirasenden Autos sieht der Fußgänger nur noch ein teuflisches Grinsen des Fahrers aufblitzen. Beim Thema Auto darf das Stichwort Katalysator nicht fehlen. Denn Almaty versinkt im Smog, besonders die Abgase beeinflussen die Lebensqualität und die Gesundheit erheblich. Das Problem findet sich in diesem Ausmaß nicht in Deutschland, dennoch wird die Debatte darüber geführt, wie deutsche Städte sauberer werden können. Jener Katalysator, welches ein Gerät im Auto ist, soll die durch Abgas verursachten umweltgefährlichen Schadstoffe herausfiltern. Vielleicht sollten die Kasachen diese Diskussion auch in ihr Land holen. Denn die schöne Gebirgslandschaft um Almtay herum kommt durch den anhaltenden Smog wenig zur Geltung. Eine weitere Eigenart für den in Kasachstan lebenden deutschen Bürger sind die kasachischen Essgewohnheiten. Schon morgens wird einem zum Frühstück das erste Stück Fleisch präsentiert, sei es ein leckerer Hähnchenschenkel oder eine saftige Krautroulade. Da fragt man sich als Deutscher: „Wo ist meine Marmelade, Müsli oder das ganz normale Vollkornbrot?“ Doch ist es in Kasachstan üblich, dass zu jeder Mahlzeit Fleisch oder Fisch gegessen wird, weil „es billiger als Obst und Gemüse ist“, so eine Einheimische. Umgekehrt ist es in Deutschland: Fleisch und Fisch sind teurer als Obst und Gemüse und müssen nicht Bestandteil des Essens sein.
Nicht alles ist schlecht
„Immer und überall herzlich willkommen zu sein“, dass sind eben die anderen Erfahrungen, die ein Ausländer in Kasachstan macht. Auch wenn finanzielle Mittel nur begrenzt vorhanden sind, wird der Tisch reichhaltig eingedeckt. Spontan von einer Familie zum Essen eingeladen zu werden, die man nur oberflächlich kennt, ist keine Seltenheit. Gerade diese Geste wirkt ehrlich. In Deutschland sind spontane Einladungen rar. Typisch deutsch ist, dass alles geplant und durchdacht wird. Die deutsche Gastfreundschaft ist kühler und distanzierter: Während in der Bundesrepublik eine allgemeine Zurückhaltung und Verschlossenheit gegenüber fremden Menschen herrscht, werden in Kasachstan mit offenen Armen empfangen. Außerdem ist eine typisch kasachische Eigenschaft die Gemütlichkeit. Gemeint sind dabei alltägliche Situationen, wie z.B. Essen im Restaurant: Kasachen bestellen umfangreiche Speisen, zwischendurch wird Wodka getrunken, sitzt man gesellig über mehrere Stunden zusammen am Tisch, und alles ohne Eile. Völlig anders ist die deutsche Essmentalität: Jeder bestellt für sich, jeder hat seinen eigenen Teller, und gegessen wird, solange es noch warm ist. „Langsam essen, aber schnell kaufen“, der schnelllebige kasachische Alltag spiegelt sich auf den Basaren wieder: Für den Kauf eines Produktes wird nicht lange überlegt. Entweder man entscheidet sich für oder gegen den Kauf. Typisch ist, dass um Preise gefeilscht wird. Anders der Deutsche: Er braucht viel Zeit für Kaufentscheidungen, um letztendlich doch nichts mitzunehmen.
Anpassung ist angesagt
Kulturelle Unterschiede sind in jedem Land anzutreffen. Gerade diese machen das zwischenmenschliche Beisammensein erst spannend, denn sie tragen zur persönlichen Bereicherung bei und fördern den interkulturellen Austausch. Wenn man in einer fremden Kultur zu Gast ist, sollte man sich ihr nicht verschließen, sondern die Chance nutzen, sie kennen und verstehen zu lernen. Dabei spielt die Anpassung eine wichtige Rolle. Nur so hat man die Möglichkeit, die fremde Kultur „richtig“ zu erfahren.
Von Kristina Danneil und Robert Vogel
02/03/07