Ein detailliertes Stimmungsbild des gesellschaftlichen Zusammenlebens in westlichen Ländern zeichnet eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung. Deutschlands Schwäche ist mangelnde Toleranz.

„Du bist Deutschland“ – Unter diesem Titel lief 2005 eine polarisierende Kampagne, die an das Nationalgefühl der Deutschen appellieren sollte. Der Ländervergleich zeigt nun, dass die Identifikation der Deutschen mit ihrer Heimat trotz aller Bemühungen nur im Mittelfeld liegt. Und auch beim gesellschaftlichen Zusammenleben gibt es Schwächen. Mehr als zwei Jahrzehnte lang untersuchte eine von der Bertelsmann Stiftung beauftragte Studie das gesellschaftliche Leben in 34 Staaten. Die ersten Plätze der Reihung nehmen die skandinavischen Länder Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland ein, gefolgt von angelsächsisch geprägten Ländern, wie die USA, Australien und Kanada. Aber auch die kleinen deutschsprachigen Länder Schweiz und Österreich verfügen über hohe Identifikation, gut belastbare soziale Beziehungen, über eine positive emotionale Verbundenheit in der Gesellschaft ebenso wie eine ausgeprägte Orientierung an das Gemeinwohl.

Armutsschere schwächt Solidarität

Besonders schlecht schneiden die baltischen Staaten Litauen und Lettland ab,  gefolgt von den südosteuropäischen Ländern Bulgarien, Griechenland und Rumänien. Deutschland befindet sich knapp im oberen Mittelfeld. Seit 1989 hat das Vertrauen der Deutschen in Institutionen zugenommen. Positive Entwicklungen gab es auch bei den sozialen Netzwerken. Das Gerechtigkeitsempfinden schwankt über alle Zeiträume hinweg. „Mehr Zusammenhalt bedeutet mehr Lebenszufriedenheit”, ergänzt Liz Mohn, stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes der Bertelsmann Stiftung. Die Umfrageergebnisse über einen Zeitraum von 1989 bis 2012 bieten erstmals ein umfassendes Radarbild des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die empirische Untersuchung stellt darüber hinaus auch Rahmenbedingungen für die Verbundenheit auf. Demzufolge festigen Indikatoren wie Wohlstand, ähnliche Einkommen, eine dynamische Wissensgesellschaft und Fortschritt, die Bindungen zwischen den Menschen.

Vielfalt anerkennen

Die Studie untersuchte auch den Einfluss von Zuwanderung auf das gesellschaftliche Zusammenleben und kam zu dem Ergebnis, dass sich Migration nicht negativ auf den Zusammenhalt auswirke. Sorge bereitet in Deutschland die mangelnde Akzeptanz für Vielfalt. „Moderne Gesellschaften beruhen nicht auf Solidarität, die aus Ähnlichkeit erwächst, sondern auf Solidarität, die auf Verschiedenheit und gegenseitiger Abhängigkeit fußt“, erklärt Stephan Vopel, Programmleiter der Bertelsmann Stiftung. Deutschland müsse die Vielfalt an Lebensentwürfen und Identitäten als Stärke erkennen. Vopel gibt zu bedenken, dass auch die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit Deutschlands von weiterer qualifizierter Zuwanderung abhängt. Um attraktiv zu sein, brauche es also eine Willkommenskultur, die auf der Akzeptanz von Vielfalt beruhe.

Von Daniela Neubacher

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