Winter in Astana. Es ist 19 Grad unter Null…Was machen eure alten Mütter und Omas, wenn ihr bei der Kälte nach Hause eilt? Schauen sie fern? Kochen sie was Leckeres, um euch zu erfreuen? Oder plaudern sie vielleicht mit einander? Seid ihr euch sicher?

Bei der heutigen Gesamtsituation in Kasachstan fällt es einigen schwer, sich über Wasser zu halten. Aufgrund der Abwertung des Tenge wurde alles teurer. Die Lebensmittelpreise steigen zusehends, die Nebenkosten werden mehr, und die wirtschaftliche Lage in der Welt trübt die Hoffnung auf Besserung der Situation. In diesen Tagen leiden die Schwachen der Gesellschaft am meisten, so auch unsere Rentner. Sie dürfen und können oft nicht mehr arbeiten, müssen aber trotzdem genauso wie alle Berufstätigen für Lebensmittel und teure Medizin zahlen. Ihre Kinder haben bereits eigene Familien gegründet, die sie unterstützen müssen, haben eigene Schulden, die auch bezahlt werden müssen. Deswegen versuchen einige Großmütter und –väter aus eigener Kraft und mit eigenen Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Einige stricken Socken und Mützen, andere verkaufen selbst Eingekochtes und eingemachtes Obst, Gemüse oder Blumen. Die Preise sind dabei immer niedrig, obwohl die Qualität hervorragend ist – denn diese Generation hat in der Sowjetunion gelernt, dass jede Arbeit gründlich gemacht werden muss. Und so stehen sie tagein, tagaus bei Wind und Wetter, um 500 Tenge zu verdienen. Und nicht nur im Sommer. Auch im Winter müssen unsere älteren Mitbürger Heizkosten bezahlen, die niedrige Rente reicht oft nicht dafür aus. Weswegen einige von ihnen jede Gelegenheit zum Broterwerb nutzen müssen.

Auf die Frage, ob ihm kalt ist, antwortet der 79-jährige Viktor Konstantinowitsch kurz: „Ich habe keine Wahl“- „Ich habe eine Datscha, und das ist ein gutes Zubrot zur Rente. Wenn man jetzt anfängt, darüber nachzudenken wie alles teurer geworden ist, reicht die Zulage von 3700 Tenge zur Rente bei weitem nicht aus. Ich bekomme jetzt 55.000 Tenge, obwohl ich 40 Jahre als Kraftfahrer gearbeitet habe und damals eigentlich gut verdient habe.“ Und er ist nicht der Einzige, der bei dieser Kälte draußen stehen muss.

Maria Iwanowna reagiert erstaunt auf den 2000-Tenge-Schein und sagt, dass sie kein Wechselgeld hat: „Ach Kind, solche Scheine sehe ich nur an dem Tag, wenn ich meine Rente bekomme. Dann muss ich die Nebenkosten bezahlen, und das war’s.“

Zwei Großmütter verbergen sich hinter einem Laden. Auf ihren „Verkaufstischen“ liegt alles Mögliche, von gestrickten Babyschuhen bis hin zu Zigaretten ist alles dabei. Die Frauen sehen mich zuerst erwartungsvoll an, aber als ich ihnen gesagt habe, dass ich nichts kaufen will und ihnen über den Artikel erzählt habe, waren sie ziemlich enttäuscht und auch leicht erschrocken. „Wir brauchen keine Hilfe, danke. Wir stehen hier nicht lange – sind einfach nur aus dem Haus raus. Unsere Rente bekommen wir immer, uns reicht es. Alles ist gut, alles ist in Ordnung. Wir stehen hier nicht wegen der Armut, sondern sind einfach nur raus, um frische Luft zu schnappen,“ sagt eine von ihnen. Trotzdem sollte erwähnt werden, dass minus 19 Grad herrschen und die meisten von frühmorgens bis spätabends an der Straße stehen. „Wir helfen so unseren Kindern und ernähren unsere Enkelkinder“, erzählt die andere Frau schließlich.

Um in solchen Fällen zu helfen, begann im Sommer 2015 in Russland eine eigenartige wohltätige Aktion „Kauf bei Oma“(„Купи у бабуш-ки“). In den sozialen Netzwerken machte eine Nachricht die Runde, wo aufgerufen wurde, den Omas zu helfen.

„Flashmob in Russland „Kauf bei Oma“! Kauft bei den Omas alles, was sie verkaufen. Den Preis nicht handeln. Rückgeld nicht annehmen“, stand in der Nachricht. Die Idee kam von der „grünen“ Gemeinschaft „Rodowid“ („Родовид“). Ein Vorschlag war auch, Fotos mit den Omas und ihren Waren zu machen und mit dem Hashtag #kupiubabki zu veröffentlichen. Die Aktion wurde bereits in Russland, in der Ukraine und in Weißrussland durchgeführt, und das innerhalb eines halben Jahres! In Kasachstan ist diese Aktion noch nicht angekommen, aber einige Personen versuchen, das zu ändern.

Auch in Deutschland gibt es bereits seit Jahren solche Initiativen, die sich immer größerer Beliebtheit und Medienechos erfreuen. Hier geht es jedoch meist um Generationendialoge und soziale Projekte zur gesellschaftlichen Eingliederung der Älteren und weniger um das nackte Überleben einer Gesellschaftsschicht.

„Einer ist keiner“ sagt man umgangssprachlich. Und eine dieser Personen, die etwas ändern wollen, ist die Gründerin des Projekts „Mit Liebe in jeder Masche“ Asja Tulesowa aus Almaty, gleichzeitig auch verantwortlich für die App „Almaty Urban Air“ (die in Almaty für ein großes Medienecho und für Sorgen im Akimat sorgte). Sie wurde von ihrer Oma Julia Andrejewna inspiriert, die wunderschöne gerahmte Herbariumbilder basteln kann. So entstand die Idee, eine Internetseite für ihresgleichen zu schaffen, auf der alle älteren Personen ihre selbstgemachten Waren verkaufen können. „Ich hatte die Idee, dass man alle Fähigkeiten und Fertigkeiten, die unsere Omas und Opas haben, mit dem Potential der modernen Technologien zusammenbringen kann. Das Projekt hat großes Potential. Es ist nicht nur einfach ein soziales Projekt, sondern auch eine Unterstützung der inländischen Produktion – gute, gediegene, einzigartige Waren, die mit „Liebe in jeder Masche“ gemacht wurden“, sagt Asja in ihrem Video zum Wettbewerb „Gründe dein Unternehmen“(„Построй свой бизнес“).

Das Projekt schaffte es leider nicht in die Top-25-Liste, aber es wird trotzdem weiterentwickelt. Asja ist dabei, vielen älteren Bürgern in Zukunft eine Hilfestellung anzubieten, indem sie dieses Projekt ins Rollen bringt. Was macht ihr für eure Großeltern?

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