In Zentralasien gehen Fußballverbände und Vereine unterschiedlich mit der Herausforderung durch Corona um. Während ein Land an der Fortsetzung des Spielbetriebs festhält, ist die Saison in den anderen unterbrochen. In Kasachstan ist auch ein deutscher Co-Trainer von der aktuellen Situation betroffen.

Die kurze Liste der Länder, in denen trotz Coronavirus noch Liga-Fußball gespielt wird, ist seit diesem Montag um einen Eintrag kürzer. Am Samstagabend verkündete die tadschikische Fußball-Liga auf ihrem Twitter-Account, dass der Spielbetrieb bis zum 10. Mai eingestellt werde. Der Grund: Corona-Prophylaxe.

Damit rollt der Ball zur Zeit nur noch in Ländern wie Belarus, Burundi, Nicaragua – und Turkmenistan. Der turkmenische Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow sieht auch weiterhin keine Veranlassung, Großveranstaltungen im Land abzusagen. Gerade erst ist das große Nationalfest des turkmenischen Pferdes mit zahlreichen Veranstaltungen zu Ende gegangen. Neben Fußball konnten sich Sportfreunde Anfang April auch an einer Art turkmenischer Tour de France mit mehreren tausend Teilnehmern erfreuen. Die Zahl der von Aschgabat offiziell bestätigten Coronafälle liegt nach wie vor bei Null, das Gleiche gilt für Tadschikistan.

Die Entscheidung der tadschikischen Fußball-Föderation zur Aussetzung des Ligabetriebs kommt deshalb ein wenig überraschend. Zumal mit Präsidentensohn Rustam Emomali ein Mann mit großen Plänen für den tadschikischen Fußball an der Verbandsspitze steht. Vor anderthalb Wochen gab der Sportfunktionär, der seit neuestem auch Vorsitzender des Senats und seit längerem Bürgermeister der Hauptstadt Duschanbe ist, dem spanischen Ableger von Eurosport ein Interview. Dort gab er für die tadschikische Fußballnationalmannschaft das Ziel aus, bei der Weltmeisterschaft 2026 in die Finalrunde zu gelangen. Den Weg dorthin weist das langfristige staatliche Programm „Traum 2026“, in dessen Rahmen die Mannschaft der Zukunft zusammengestellt wird. Dabei soll der Entwicklung der Jugend eine tragende Rolle zukommen. „Wir hoffen, dass diese goldene Generation uns hilft, unsere Träume zu verwirklichen“, so Emomali.

Zweifel an offiziellen Zahlen

Ob die tadschikischen Kicker nach dem 10. Mai wieder Spielpraxis sammeln können, hängt von der weiteren Corona-Entwicklung ab. Zuletzt hatten unabhängige Medien nach einer Reihe von Todesfällen durch Lungenentzündungen Zweifel an der offiziellen Version geäußert, wonach das Virus bislang einen Bogen um das Land gemacht habe. Immerhin kann Tadschikistan aber schon jetzt einen Fußball-Weltrekord für sich verbuchen: Es hat den ersten Titel der Corona-Ära vergeben.

Im Finale des Supercups standen sich Anfang April der FC Istiklol Duschanbe und der FC Khujand gegenüber – vor leeren Rängen. Der Hauptstadtklub entschied das Duell für sich und fuhr damit den Titel ein, den Sportkommentatoren spöttisch als „Corona-Trophäe“ bezeichneten.

Zwangspause für Spieler belastend

In den anderen drei Ligen – der usbekischen Superliga, der kirgisischen Premjer-Liga und der gleichnamigen Profiliga in Kasachstan – ruht der Ball dagegen schon länger. Dabei hatte die Saison in Kirgisistan erst am 15. März begonnen und war demnach gerade einmal einen Spieltag alt. In Usbekistan waren bis zur Pausierung drei Spieltage absolviert. In Kasachstan hatten einige Teams bereits drei Spiele absolviert, andere zwei. Überall führen die jeweiligen Hauptstadtklubs die Tabelle an.

Was die aktuelle Situation für Trainer und Spieler der Vereine bedeutet, schildert Tommy Jähnigen gegenüber der DAZ. Der 29-Jährige ist seit November 2018 unter Aleksey Shpilevski Co-Trainer bei Kairat Almaty, nach Trainerstationen im Jugend- und Frauenbereich von RB Leipzig und beim weißrussischen Erstligisten Dynamo Brest. „Das Training ist leider nur über Videokonferenzen möglich, da gemeinsame Tätigkeiten untersagt sind“, sagt Jähnigen. Da auch die Spieler von Kairat nur für notwendige Angelegenheiten wie Einkäufe raus dürften, sei man inhaltlich begrenzt, die Arbeit am Ball kaum möglich. Der Trainerstab arbeite daher mit den Spielern vor allem an deren Fitness.

„Jeden Tag zu Hause trainieren und seine Mannschaft nur per Video zu sehen, ist für alle Spieler und Trainer sehr belastend“, so Jähnigen. Schließlich hätten Austausch und Interaktion in Mannschaftssportarten eine hohe Bedeutung. Trotz der mentalen Belastung sei die Stimmung im Team aber gut. Den kasachischen Verband und die Liga lobt der Trainerassistent für seine schnelle Entscheidung, die Zahl der Spielrunden in der laufenden Saison von drei auf zwei zu verringern. Unter normalen Bedingungen treten die zwölf Mannschaften drei Mal gegeneinander an, jeder gegen jeden.

Finanzielle Probleme wegen Corona

Die verkürzte Saison, der Wegfall von Heimspielen und künftige Geisterspiele belasten die Vereine finanziell. Hinzu kommt, dass die zumeist staatlichen Vereine der ersten Liga aus dem Budget ihrer jeweiligen Städte finanziert werden. Die leiden selbst unter den notwendigen Anti-Corona-Maßnahmen. Bei Kairat als einzigem privaten Klub dürfte dagegen die Frage der Sponsorengelder eine größere Rolle spielen. Spieler, Trainer und Personal des Almatiner Klubs verständigten sich Anfang April auf einen Gehaltsverzicht in Höhe von 50 Prozent für den laufenden Monat. Die Initiative ging demnach von Spielern und Trainerstab aus, um den Verein zu unterstützen, wie dieser auf seiner Seite schrieb.

Bei anderen Vereinen geschahen solche Schritte offenbar gegen den Willen der Betroffenen, wie das Beispiel aus Pawlodar zeigt. Dort reduzierte der Verein das Monatsgehalt von Personal, Trainern und Spielern Mitte März auf die Mindestsumme von 42.500 Tenge (rund 90 Euro). Die waren damit nicht einverstanden und wandten sich sogar Anfang April mit einem Brief an den Akim der Stadt – ohne Erfolg.

Kasachstan als Ausreißer im internationalen Fußball

Die Pandemie wirkt sich auch auf die internationalen Turniere aus. Für die kasachischen Vereine dürften die Folgen aber zunächst nicht so gravierend sein wie für die der anderen zentralasiatischen Länder. Während diese dem Verband der Asiatischen Fußball-Konföderation (AFC) angehören und an deren internationalen Turnieren teilnehmen, ist Kasachstan in der Region die große Ausnahme. Die Kasachische Fußballföderation (KFF) ist nämlich Mitgliedsverband der UEFA. Deshalb sind kasachische Fußballmannschaften regelmäßig zu Gast in den Europapokal-Wettbewerben.

Der bislang größte Erfolg einer kasachischen Mannschaft war die Teilnahme von FC Astana an der Gruppenphase der Champions League. Dort schlug sich der Hauptstadtklub in der Saison 2015/16 respektabel und holte aus sechs Spielen vier Unentschieden – unter anderem gegen Top-Team Atletico Madrid. In der Europa League, die eine Etage unter der Champions League angesiedelt ist, ist der Hauptstadtklub dagegen bereits Stammgast. Kairat nahm hier in den letzten Jahren zumindest an den Qualifikationsrunden teil.

Aktuell diskutiert die UEFA darüber, wie sich Mannschaften für die finanziell lukrativen und prestigeträchtigen Europapokal-Wettbewerbe qualifizieren sollen, wenn deren Ligen die Saison nicht nur aussetzen, sondern vorzeitig beenden. In Holland ist das bereits offiziell der Fall, wovon der kasachstandeutsche Nationalspieler Aleksandr Merkel mit seinem Klub Heracles Almelo betroffen ist. Auf einer Videokonferenz des UEFA-Exekutivkomitees am Donnerstag wurde angeregt, die Startplätze bei einem Saisonabbruch nach den „sportlichen Meriten“ der laufenden Saison zu vergeben – also dem aktuellen Tabellenstand und Punktedurchschnitt.

Astana und Kairat schon für Europa gesetzt

Für die kasachischen Vereine ist die Diskussion dagegen zunächst weniger relevant. Anders als in Deutschland, wo die Saison von August bis Mai dauert, finden die 33 Spieltage in Kasachstans Profiliga von März bis November statt. In der aktuellen Situation erscheint der gänzlich andere Spielrhythmus als Vorteil. Denn die 2019 begonnene Saison ist hier bereits beendet, die Teilnehmer für die internationalen Wettbewerbe stehen dadurch schon fest: Meister Astana ist in der ersten Runde der Champions-League-Qualifikation gesetzt. Kajrat und Ordabassy Schymkent sind in der ersten Runde der Europa-League-Qualifikation dabei. Kaisar Kysylorda ist als Sieger des Kasachischen Fußballpokals sogar für die zweite Qualifikationsrunde gesetzt. In der laufenden Europacup-Saison sind dagegen keine kasachischen Mannschaften mehr vertreten. Astana ist bereits in der Gruppenphase der Europa-League ausgeschieden ist.


Quelle: AFC

Anders sieht es dagegen beim asiatischen Europapokal-Pendant aus: In der AFC-Champions-League führt der usbekische Meister Pakhtakor Taschkent seine Gruppe nach zwei Spieltagen mit zwei Siegen an. Der kirgisische Meister Dordoi Bischkek und der FC Khujand aus Tadschikistan sind im AFC-Cup, der asiatischen Europa-League, dabei. Beide treffen dort zufällig in einer Gruppe aufeinander. Die AFC hat die Turniere selbst für Mai und Juni bereits ausgesetzt. „Bis auf weiteres“, wie es in einer Mitteilung auf der Seite heißt.

Christoph Strauch

Teilen mit: