In Almaty gibt es mittlerweile viele Reiseveranstalter, die geführte Touren zu den Naturwundern Kasachstans anbieten. Doch wie ist es, den Charyn Canyon und die Kolsai-Seen einmal eigenständig mit einem Mietwagen zu erkunden?

Vor unserer Reise wurde uns eingebläut, dass wir uns das viel zu romantisch vorstellten. Dort draußen sei nichts außer Steppe. Nur weil die Straße auf Google Maps sichtbar sei, heiße das nicht, dass sie befahrbar sei. Doch unser Entschluss stand fest. Unser Ziel war es, den Charyn Canyon und die Kolsai-Seen binnen fünf Tagen in eigener Sache zu erkunden. Es musste jetzt passieren, denn die kalten Wintermonate würden nicht länger auf sich warten lassen.

Wir mieteten uns ein Auto. Der beste Tipp von einer Einheimischen war almacar.kz. Für 24.000 Tenge am Tag ließ sich ein SUV für die Fahrt außerhalb der Stadt ausleihen, die Kaution betrug 60.000 Tenge. Der deutsche Führerschein ist bis zu dreißig Tage nach der Einreise noch gültig, danach braucht man einen internationalen Führerschein. Die hier im Land verbreitete App „2gis“ hilft in den weiten Steppen nicht mehr weiter. Wir setzten auf ausgedruckte Karten, merkten aber später, dass Google Maps durchaus ab und zu noch funktioniert. Am Ende braucht man aber eigentlich nichts von alledem, wenn man auf die wenigen Schilder achtet, die es gibt, und immer auf der bestbefahrbaren Straße bleibt.
An Musik zur Unterhaltung sollte auf alle Fälle gedacht werden: Der letzte Radiosender mit dem in der deutschen Übersetzung unglücklichen Titel „ns.kz“ beginnt schon wenige Kilometer hinter der Stadt zu rauschen.

Lieber nicht vom offiziellen Pfad abweichen

Die Links-Abbiegung zum Canyon vor einer Gebirgskette ist nicht zu verfehlen. Es folgt eine Schranke, an der man rund 1.500 Tenge für zwei Personen mit Auto bezahlen muss, um zum Parkplatz am Canyon zu gelangen. Die Aussicht ist bereits hier einmalig, und die vielen Picknick-Plätze laden zum Verweilen ein. Um zum Eco-Park zu gelangen, folgt man einer Treppe, an deren Ende oft Jeepfahrer warten – auf Touristen, die sich die wunderschöne Wanderung in dem Naturwunder gern ersparen möchten.

Leider gingen wir an der Treppe vorbei und versuchten, uns abseits des einzigen Pfades einen Weg durch das Geröll zu bahnen. Davon ist dringend abzuraten! Ohne richtige Wanderschuhe und mit schweren Rucksäcken ist der Weg eigentlich nicht zu überwinden. Nachdem wir nach einigen hundert Metern nicht mehr zurück konnten, mussten wir teilweise auf dem Hosenboden runterrutschen. Eine Stunde schweißtreibenden Kletterns später erreichten wir endlich den Eco-Park.

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Erschöpft legten wir unsere Beine in dem rustikal und schlicht gehaltenen Bungalow hoch. Der Eco-Park war zu unserem Erstaunen wirklich ökologisch: Eine Solaranlage liefert genug Strom für Licht, es gibt nur die drei Autos von der Parkverwaltung, und die Unterkünfte sind alle aus nachhaltigen Materialien gebaut. Es gibt einen Imbiss, wo das Essen frisch über einer Feuerstelle zubereitet wird. Dort stärkten wir uns mit einer Tasse Tee und bewunderten die idyllische Oase inmitten des Canyons. Es ist empfehlenswert, außerhalb der Saison einen extra Schlafsack mitzubringen, denn nachts wird es in den Holzhütten sehr kalt.

Am nächsten Tag brachen wir nach einem reichhaltigen Frühstück auf, diesmal auf dem richtigen Weg. Im Park ist während dieser Jahreszeit wenig los. Die Jeepfahrer boten uns sogar an, uns kostenlos mitzunehmen. Unser nächstes Etappenziel waren die drei Kolsai-Seen nicht weit vom Canyon. Die leeren Straßen dorthin lassen zwar ein sportliches Reisetempo zu. Das Naturschauspiel ist aber so beeindruckend, dass man sich lieber die Zeit nehmen sollte, auch einmal anzuhalten, den Ausblick und die Stille zu genießen.

Man sollte sich nicht verunsichern lassen, wenn wilde Pferde, Rinder und Schafe vor einem in aller Ruhe die Straße überqueren, als hätten sie hier selbstverständlich Vorrang. Kurz vor den Bergen kann man den kurzen Feldweg an Jalañaş vorbei nehmen oder einen Schlenker durch das kleine Örtchen fahren. Dort kann man einkaufen, tanken und sich in einer „stolowaja“ stärken. Das Essen ist phantastisch und auf Nachfrage kann man sich auch noch zusätzlichen Reiseproviant einpacken lassen.

Kleines Familienhotel mit Charme

Einige Kilometer weiter gelangten wir in den Ort Saty, wo uns am Ortsausgang eine unfreundliche Frau an einer Schranke aufhielt. Wir sollten zusammen 1700 Tenge für einen Tag zahlen und uns registrieren, zudem wollte sie uns noch eine Übernachtung aufzwängen. Nachdem wir uns gegen Letzteres erfolgreich gewehrt hatten, durften wir endlich passieren. Wir folgten der Straße und fanden linker Hand das „Hotel Taushelek“. Nach der Nacht im Canyon und weil es hier auch am Tage schon deutlich kühler war, verbanden wir damit sofort eine heiße Dusche und waren uns einig – hier wollten wir bleiben.

Das Hotel ist klein – ein Familienbetrieb. Mehr als zwanzig Personen auf einmal haben hier wohl keinen Platz. Das wäre auch zu viel für die Familie, die ihre Gäste auf liebevolle Art verpflegt. Die Zimmer sind einfach, aber hübsch, und haben ein Bad. Frühstück, Mittag- und Abendessen sind inklusive, die Uhrzeit individuell wählbar. Wir zahlten 20.000 pro Nacht, für die letzte Nacht bekamen wir einen Rabatt und zahlten nur noch die Hälfte. Wenn das Essen fertig war, wurde freundlich ans Zimmer geklopft.

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Die anderen Gäste, das waren am ersten Abend eine vegane indische Großfamilie, ein Bus mit Studierenden und Lehrenden der Turan University. Entsprechend bunt und abwechslungsreich war die jeweilige Stimmung im Haus. Hier gab es keine Spur von „Hotel-Anonymität“, sie würde auch fast schon eigenartig anmuten – so fernab in Kasachstans Weiten.

Auf holprigen Wegen zum Ziel

Am nächsten Tag ging es dann los in Richtung der drei Gebirgsseen. Nach etwa zehnminütiger Serpentinenfahrt erreichten wir den Parkplatz, hinter dem schon der erste von ihnen liegt: Ein herrlicher, farbintensiver Anblick. Seen zwei und drei sind zu Fuß erreichbar – alles in allem ein straffer Marsch von rund 30 Kilometern. Wir gaben uns damit zufrieden, den ersten See auf dem Wanderweg einmal zur Hälfte zu umrunden, und Picknick am kleinen, idyllischen Flusslauf dahinter zu machen.

Für den nächsten Tag nahmen wir uns den Kaindy-See vor, wo die berühmten Tienschan-Fichten so ästhetisch-bizarr aus dem türkisfarbenen Wasser ragen. Beim Rauchen auf der Treppe konnten wir dem Hausherrn unsere Pläne sowie die Zweifel an der Geländetauglichkeit unseres Mietautos verständlich machen. In einem mit kasachischem Akzent verwischten Russisch erklärte er uns, dass ein Freund von ihm die Strecke mit uns für 10.000 Tenge fahren könne.

Der Freund war ein wortkarger Mann, dafür ein ausgezeichneter Fahrer. Mit beiden Händen fest am Lenkrad und Zigarette im Mundwinkel wich er tollkühn großen Steinen, tiefen Pfützen und Schlammlöchern aus. Der Wagen drohte mehrere Male zu kippen, doch unser Fahrer beförderte uns souverän innerhalb einer Stunde und mit kasachischer Begleitmusik ans Ziel. Währenddessen sahen wir aus dem Rückspiegel, wie andere steckenblieben. Nachdem wir noch einmal eine Eintrittsschranke passierten, gelangten wir auf eine Lichtung. Hier parkte und wartete der Fahrer auf uns, während wir noch einmal ungefähr zehn Minuten zum See hinabstiegen.

Auf dem Land ist man solidarisch

Nachmittags entschlossen wir uns, noch einmal den Hang hinter dem Hotel zu besteigen. Bei allem, was wir jetzt schon gesehen hatten, war es doch erstaunlich, wie einzigartig die Atmosphäre auf dieser Anhöhe war. Die Schafe auf den umliegenden Hängen, die sich bei Anbruch der Dunkelheit nach unten aufmachten, wirkten von weitem winzig klein. Belustigt verfolgten wir, wie die letzten Schlafmützen der Herde hinterhereilten. Die Aussicht war wunderschön und weit. Wenige Häuser schmiegten sich an die Hänge, in der Ferne ein Reiter. Pferde sind hier den Autos gleichwertig oder sogar überlegen.

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Am nächsten Tag machten wir uns auf den Rückweg – und das zur rechten Zeit. In der Nacht hatten die ersten Schneeflocken das Ende der Saison eingeläutet. Man kann sich gut vorstellen, dass es hier in wenigen Wochen unbequem wird. Auf dem Rückweg waren wir selten allein: Wenn man in dieser scheinbar unendlichen Weite jemanden am Straßenrand stehen sieht, dann hält man an. Die Solidarität auf dem Land funktioniert ausgezeichnet.
Fazit: Wir empfehlen unsere Variante des Reisens allen, die selbst entscheiden möchten, wo und wie lange sie in der Natur verweilen, die es genießen, einmal die einzigen Menschen weit und breit zu sein und die den Kontakt mit Einheimischen suchen.

Von Katharina Frick und Lukas Kunzmann

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Wichtig ist es, den Reisepass mit sich zu führen. Dieser ist notwendig für die Registrierung an den Eintrittsschranken für sämtliche Nationalparks.
Das vollständige Angebot und die Adresse der Autovermietung sind unter almacar.kz einzusehen.
Auf eco-park.kz ist das breite Angebot vollständig aufgelistet, eine Adresse gibt es jedoch nicht, und Kontakt via Email aufzunehmen ist auch vergebene Mühe. Tage, die man meiden sollte, sind die Wochenenden im Sommer.
Die Internetadresse des Hotels ist: kolsaytur.kz. An der Einfahrt gegenüber vom Friedhof kann man sich auch problemlos zum Kaindy mitnehmen lassen. Es sollte an genügend Bargeld gedacht werden, denn Bankautomaten gibt es nicht.

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