Zum ersten Mal kam Thomas Helm bereits 1997, noch lange vor seiner Zeit in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, mit Kasachstan in Berührung. Nun, fast 20 Jahre später, ist er Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Kasachstan. In der Zwischenzeit war der aus Ahlen im Münsterland stammende Wirtschafts– und Sozialwissenschaftler in über einem Dutzend Ländern in Mittel– und Osteuropa und auch in Afrika nebenamtlich im Rahmen von Projekten als Berater tätig. Im Gespräch mit der DAZ:

Herr Helm, welche Erfahrungen haben Sie mit Kasachstan?

Thomas Helm während der Konferenz zur interethnischen Konfliktprävention in Almaty. | Foto: DAZ

Das erste Mal, dass ich mit Kasachstan thematisch in Berührung kam, war 1997, kurz vor meinem Studienabschluss. Damals war der Aussiedlerbeauftragte der deutschen Bundesregierung Horst Waffenschmidt. Als ich 2002 in die CDU/CSU-Bundestagsfraktion als Mitarbeiter kam, war mein erster Chef Hartmut Koschyk der jetzige Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung. Mein letzter Chef in der Fraktion war fünf Jahre lang Manfred Grund, der Vorsitzende der Deutsch-Kasachischen Gesellschaft und der Deutsch-Zentralasiatischen Parlamentariergruppe. Von daher hatte ich während der Fraktionszeit immer Berührungspunkte mit Kasachstan. Über 13 Jahre habe ich immer neben meinem normalen Job für die Stiftung Beratung in mehr als einem Dutzend Transformationsländern Mittel- und Osteuropas, Afrikas, Südosteuropas, des Balkans etc. gemacht. Irgendwann nahm die Stiftung Kontakt auf und als das Stichwort Kasachstan fiel, war die Entscheidung nicht schwer.

Wie hat sich Kasachstan seit 1997 verändert?

Ich war zuerst nur in Almaty, und kam erst 2006 nach Astana. Jochen-Konrad Fromme war damals für die deutschen Minderheiten zuständig, das deutsche Haus ist in Almaty, also lag der Fokus stets auf Almaty. Ich kenne die letzten drei Botschafter der Republik Kasachstan in Deutschland sehr gut. Mit Kairat Sarybai habe ich einmal Fußball gespielt, heute ist er Botschafter in Wien. Nurlan Onzhanov ist heute Präsidentenberater. Bolat Nussupow kenne ich auch, er war lange für Kulturfragen in der Botschaft zuständig, bevor er Botschafter geworden ist. Man hatte immer irgendwie miteinander zu tun.

Wie schätzen sie die Entwicklung Kasachstans seit 1997 bis heute ein?

Im Vergleich mit anderen zentralasiatischen Staaten ist Kasachstan, was die Entwicklung der Individualrechte und der Wirtschaft angeht, ein Ankerpunkt und Leuchtturm in Zentralasien. Nun stellt sich die Frage, wie es weitergeht, vor allem mit Blick auf die Rohstoffe. Das sieht auch die Regierung. Und jetzt geht es darum, die Krise als Chance zu begreifen und zu sehen, wie man dieses Land, das eine rohstoffgetriebene Wirtschaft hat, in eine moderne Industriegesellschaft wandeln kann. Das ist eines meiner wichtigsten Ziele in der KAS, hier politische Anregungen zu geben. Das Thema Digitalisierung der Wirtschaft, duale Ausbildung, qualitative Schritte in Richtung Industriegesellschaft spielen hierbei eine Rolle.

Abgesehen von politischer Beratung und Unterstützung bzw. Ausbildungsförderung, wo will die KAS noch mitmischen? Zum Beispiel im Bereich Kultur? Was interessiert Sie noch persönlich?

Was Kulturfragen betrifft, habe ich mich bereits mit Frau von Münchhausen, der Leiterin des Goethe-Instituts, getroffen. Und wir haben überlegt, was die KAS auf der kulturpolitischen Schiene noch ergänzend tun bzw. wo sie unterstützend tätig sein kann. Sie hat mir das Thema Klimawandel vorgeschlagen. An Jugendliche oder bestimmte Gruppen soll dieses Thema besser herangetragen werden, auch mit Kulturelementen. Ich versuche zu schauen, wie das bei uns passt, bin aber kein Freund davon, dass Steuergelder doppelt oder gar dreifach ausgegeben werden und Leute parallel arbeiten. Im Moment schaue ich, wo Leute bereits unterwegs sind und wo wir ergänzen können. Also nicht, dass ich das gleiche anbiete wie die GIZ oder das Goethe-Institut. Das ist rausgeschmissenes Geld. Die GIZ ist z.B. gerade in Sachen duale Ausbildung sehr aktiv. Aber natürlich kann auch die GIZ das Thema nicht alleine umfassend bearbeiten, vielleicht kann die KAS es sinnvoll ergänzen.

Wie sehen Sie Deutschlands Stand in Kasachstan? Zum Beispiel leidet auch die deutsche Sprache. Wie sehen Sie das von der politischen und wirtschaftlichen Seite?

Mir tut es natürlich um den Aspekt der deutschen Sprache leid. Aber ich habe da vollstes Verständnis. Die kasachischen Schüler müssen ja von Beginn an zwei Sprachen lernen – Kasachisch und Russisch. Dann ist die nächste Sprache schon die zweite Fremdsprache. Und dass man in einer globalisierten Welt sagt, das sollte Englisch sein, kann ich voll nachvollziehen. Und wenn Sie in ein deutsches Unternehmen gehen, das internationale Kontakte hat, dann fragt Sie sowieso jeder als erstes, wie gut Sie Englisch beherrschen. Die deutschen Wirtschaftskontakte oder der deutsche Austausch leidet da gar nicht drunter. Was ich gerne etablieren würde, ist, dass die Kontakte zu Deutschland sich verbessern. Aber in jedem größeren Unternehmen können sie heute mit Englisch alle möglichen Erfahrungen sammeln. Ich komme aus einer Stadt mit „nur“ 55.000 Einwohnern. Doch die Unternehmen, die dort ansässig sind und internationale Kontakte haben, können komplett mit Englisch arbeiten.

Hätten Sie Interesse daran, Projekte zu unterstützen, die die deutsche Sprache fördern?

Ja, das unterstütze ich auch gerne. Über jeden, der bereit ist, zu sagen, Deutsch wird meine Zweit– oder Drittsprache, freue ich mich. Ich hatte auch bereits über Theaterprojekte, wie das deutsche Theater in Almaty, geredet.

Sie haben kürzlich ein neues Videoformat gestartet „Kasachstan auf den Punkt“, wie kam es zu dieser Initiative, und wen möchten Sie erreichen?

„Kasachstan auf den Punkt“ richtet sich einerseits an ein Publikum in Deutschland, mit dem Ziel, Kasachstan bekannter zu machen. Deshalb spreche ich auch Deutsch. Es soll aber auch ein Publikum in Kasachstan erreicht werden, damit die Kasachstaner die Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung noch besser kennenlernen. Deshalb gibt es Untertitel in Russisch.

Wie verlief das erste Fördersemester der Sur-Place-Stipendien unter Ihnen in diesem Jahr?

Wir haben seit Juli 30 neue Stipendiaten, was sicherlich schon quantitativ herausragend ist. Mich begeistern die jungen Leute. Wir haben aus rund 500 Bewerbungen sehr gute Studenten auswählen können. Natürlich gab es auch viele sehr gute Bewerber, die wir leider ablehnen mussten. Auch unser Budget ist nicht unbegrenzt. Alle Neuen sind sehr enthusiastisch dabei. Es macht Spaß, mit Ihnen zu arbeiten.

Eliteförderung und Minderheiten sind zwei Ihrer Arbeits-Ziele, was sind die anderen?

Den wirtschaftlichen Bereich habe ich schon als ein großes Ziel erwähnt. Wir arbeiten aber auch viel mit dem Parlament und Nachwuchspolitikern zusammen, um die Strukturen der Volksvertretung in der Entwicklung zu unterstützen. Wir helfen auch bei der Etablierung der Kommunalen Selbstverwaltung in Städten und Gemeinden. Auf dem Feld der Menschenrechte und im Bereich der Außen– und Sicherheitspolitik sind wir ebenfalls unterwegs. Auch die Ausbildung von Journalisten bringen wir mit unserem Partner „MediaNet“ voran, versuchen auch, deren Rechte zu stärken. Die Konrad-Adenauer-Stiftung in Kasachstan ist zudem eines von drei Kompetenzzentern in Asien für Energie, Klima und Rohstoffe. Wir arbeiten hier in den Bereichen Energiesicherheit und im Bereich erneuerbarer Energien.

Der von der KAS veranstaltete Kongress um Minderheiten und Konfliktvermeidung in Kasachstan spricht brisante Themen des Landes an – wie kam es zu der Veranstaltung und welche Ergebnisse verspricht man sich?

Wir sehen einerseits, dass das Zusammenleben der verschiedenen Volksgruppen in Kasachstan im internationalen Vergleich gut funktioniert. Es ist aber auch festzustellen, dass ethnische Fragen in vielen Konflikten auf der Welt eine immer stärkere Rolle spielen. Oft wird auch von außen Einfluss genommen. Wir erhoffen uns von dem Kongress Erkenntnisse oder zumindest Fragestellungen, entlang deren eine weitergehende Forschung und Befassung mit dem Thema stattfinden kann. Letztlich geht es darum, einen erfolgreichen Weg in die Zukunft fortzusetzen.

Vielen Dank.

Das Interview führte Julia Boxler.

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