War das nun der große, der ultimative Wurf, auf den die halbe Welt nun schon seit fast zwei Jahren, also seit dem Ausbruch der Eurokrisie gewartet hat? Im Moment ist es noch sehr schwer, auf die Frage zu antworten, ob der in den letzten Januartagen von 25 der 27 EU-Mitgliedsländern und darunter von allen 17 Euroländern beschlossene Fiskalpakt die großen allseitigen Erwartungen erfüllen kann.

Doch zuerst einmal zum Problem. Mit der Einführung der Währungsunion in der EU ab 1999 waren auch relativ strenge Stabilitätskriterien für die Staatsfinanzen der wirtschaftlich doch sehr unterschiedlich entwickelten und Finanzdisziplin sehr differenziert interpretierenden Teilnehmerstaaten beschlossen worden. Diese standen bisher jedoch eher auf dem Papier, sie wurden auch von eigentlich stabilitätsorientierten Staaten, wie Deutschland und Osterreich, nicht nachhaltig beachtet, umso mehr von den traditionell nicht sehr stabilitätsorientierten Südländern. Auch in wirtschaftlichen guten Zeiten wuchsen deshalb die Staatsschulden, weil es leichter war, Leistungen des Staates mit Krediten zu bezahlen, statt mit wirklich vorhandenen Steuereinnahmen. Als dann in der Finanzkrise 2008-2009 unerwartet große Mengen nicht vorhandener Mittel zur Rettung des Bankensektors und damit der Wirtschaft bereitgestellt werden mussten, kam das bis dahin eher unter der Decke schwelende Finanzproblem auf den Tisch. Die Finanzmärkte trauten den Rückzahlungsmöglichkeiten vieler Eurostaaten nicht mehr und kauften entweder keine Staatsanleihen mehr oder nur, wenn ihnen dafür sehr hohe Zinsen geboten wurden. Irland und Griechenland konnten sich so schnell nicht mehr auf dem normalen Weg, nämlich über die Finanzmärkte, mit neuen Krediten versorgen. Italien, Spanien und Portugal gelang dies nur noch mit großer Mühe. Die Gefahr des Auseinanderbrechens der Eurozone war plötzlich zu einem realen Szenario geworden. Das aber ist keinesfalls im Interesse ihrer Erfinder, weshalb nun schleunigst die Hausaufgaben erledigt werden mussten, von denen man zwar wusste, die aber infolge ihrer geringen Attraktivität von mehreren Politikergenerationen auf die lange Bank geschoben worden waren. In den letzten Monaten jagt nun ein Gipfeltreffen der EU-Staatslenker das andere, oft auch unverblümt und richtigerweise „Krisengipfel“ genannt. Der oben genannte Beschluss zum Fiskalpakt ist da mit Sicherheit auch nicht der letzte.

Auf jeden Fall wurde hier ein großer Fortschritt beim „Reparieren“ der Fundamente erreicht, auf denen der Euro ruht bzw. schwankt. Außer Großbritannien und unerwartet auch Tschechien haben die übrigen 25 EU-Länder und alle 17 Euroländer vereinbart, die maximal mögliche jährliche Schuldenaufnahme der Staaten auf 0,5 % vom eigenen BIP zu begrenzen (bisher waren das 3%). Damit dies nicht wie die 3 % nur ein Papiertiger bleibt, sollen Sanktionsmöglichkeiten gegen jene Staaten möglich sein, die zu viele Schulden machen. Vorgesehen sind automatische Sanktionen in Form von finanziellen Strafen. Das war zwar auch bisher schon möglich, nun soll es aber auch das Recht der EU-Kommission werden.
Die Geldstrafen sollen in den permanenten Rettungsfonds ESM eingezahlt werden, aus dem wiederum nur die Länder Kredite bekommen können, die den Fiskalpakt auch ratifiziert und eingehalten haben. Keine Zustimmung fand der deutsche Vorschlag, dass sparunwillige oder sparunfähige Staaten auch vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt werden und damit von einer nichtpolitischen Instanz zur Haushaltsdisziplin gezwungen werden können. Das Nichtaufnehmen dieses Vorschlags in den Fiskalpakt ist eine schwere Schlappe für Deutschland und macht aus dem Pakt einen Käse mit zumindest einem großen Loch. Generell muss sich noch erweisen, ob die erreichten Kompromisse die Finanzmärkte auch zufriedenstellen. Schließlich wird auch bei Einhalten dieses Paktes eine Minderung der hohen Schulden erst in 10 bis 20 Jahren erreicht werden. Aber die meisten Eurostaaten müssen bereits in diesem Jahr investitionsbereite Anleger finden, die Italien 386, Frankreich 368, Deutschland 257 und Spanien 175 Mrd. Euro und zuletzt den Industriestaaten insgesamt 1516 Mrd. Euro borgen. Hinzu kommt der Bedarf der Banken in Höhe von etwa 600 Mrd. Euro.

Vorerst scheint die Verschuldungsmaschine also weiter zu dampfen.

Bodo Lochmann

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