Kirgisische Hochland-Romantik am Issyk-Kul-See. Dort, wo andere Urlaub machen, bereitet sich Kirgisistans Ringerelite auf die Asienmeisterschaften 2011 vor. Ihre Trainingsmethoden sind eher unkonventionell.

/Bild: Antonie Rietzschel/

Die Gesichtszüge des jungen Mannes verzerren sich zu einer Fratze. Der Schweiß läuft ihm in die Augen. Aus dem zusammengepressten Mund entweicht ein scharfes Zischen. Die Hände klammern sich um eine mit eisernen Kilos bestückte Stange, die er hoch über seinen Kopf streckt. Als der befreiende Ruf „Wechsel“ über den staubigen Hof gellt, würde Denjar die schwere Last am liebsten von sich werfen. Doch damit riskiert er auch eine schwere Verletzung und seinen großen Traum: Die Teilnahme an den Asienmeisterschaften. Der 24-Jährige gehört zum kirgisischen Nationalkader der Ringer. Vor zwei Jahren errangen sie bei den olympischen Spielen gleich zwei Medaillen – eine silberne und eine bronzene. Für viele Kirgisen sind die jungen Männer Volkshelden.

Schwarzenegger als Motivation

Denjar hat ein Ziel: Die Asienmeisterschaften 2011.

Fünfmal im Jahr fahren sie mit ihrem Trainer Farchad Ablimischinowitsch Umurow an den 1.600 Meter hoch gelegenen Issyk-Kul, um ein paar Wochen in einem Hotel in Tscholpon-Ata zu trainieren. Jeden Tag dasselbe Programm: Morgens um sieben Schwimmen im See und danach Fußballspielen am Strand, abends zwei Stunden Krafttraining. Die dafür bereitstehenden Gerätschaften erinnern eher an den Knastsport in amerikanischen Filmen als an das Trainingslager von Olympiasiegern: Eisenstangen mit Gewichten, Eisenkugeln und Gummibänder reichen anscheinend aus um mit der Weltspitze mithalten zu können. Statt ausgeklügelter Proteindrinks reicht ein ordentlicher Schluck Kompott aus – ein stark gezuckertes traditionelles Fruchtgetränk, das von der kirgisischen Bevölkerung gerne getrunken wird – um zu neuen Kräften zu kommen. Beim Abendessen läuft im Fernsehen ein Film mit Arnold Schwarzenegger, der als Conan der Barbar gegen fiese Feinde, aber auch mit seinen schauspielerischen Fähigkeiten zu kämpfen hat. Am nächsten Tag geht das Muskelspiel weiter.

Denjar begann im Alter von 13 Jahren seiner Leidenschaft als Ringer nachzugehen. Bereits nach der ersten Trainingsstunde, die er aus purer Neugierde besuchte, wusste er – angespornt von seinem damaligen Jugendtrainer, der sein Potenzial erkannte – dass er Ringer werden wollte.

Konkurrenz nicht unterschätzen

Bis heute hat sich daran nichts geändert. Sein Traum ist es, einmal ganz oben zu stehen und vielleicht mal bei den Olympischen Spielen eine Medaille zu gewinnen. Aber er sieht es ganz nüchtern: „Es gibt viel Bessere in der Mannschaft“, sagt er. Auch Trainer Umurow übt sich mit Blick auf die bevorstehenden Asienmeisterschaften in Bescheidenheit: „Unsere Jungs haben immer gute Chancen, aber es wird verdammt schwer. Vor allem die Konkurrenz aus Japan, Korea und Iran ist nicht zu unterschätzen“, sagt der 46-Jährige. Dann flucht er leise. Ins Gespräch vertieft, hat er glatt das Training seiner Jungs vergessen. Das Klirren des Metalls und das Stöhnen ist immer leiser geworden. „Ihr seid noch nicht fertig“, ruft er mit gespieltem Ernst. Manchmal ist der innere Schweinehund eben stärker als die Medaillenambitionen eines Volkshelden.

Dieser Artikel entstand bei einer Schreibwerkstatt unter der Leitung der ifa-Medienwirtin Antonie Rietzschel. Die Schreibwerkstatt war Teil der Sommeruniversität des Lektorenprogramms der Robert-Bosch-Stiftung und des Deutschen Akademischen Austausch-Dienstes (DAAD) in Tscholpon-Ata.

Von André Schmid und Wolfram Lüders

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