„Bis zum Fall des Sowjetreiches war der russische Einfluss in Zentralasien unbestreitbar. Die Gründung unabhängiger Staaten und ein durch eigene Krisen paralysiertes Russland haben dem Diktat ein Ende gesetzt. Wladimir Putin erklärte in seiner Rede zur Nation im April dennoch, „dass die zivilisierende Mission Russlands auf den eurasischen Kontinent anhalten sollte“. Putins rhetorische Fanfare folgten Taten. Der Kreml entwarf Zeitungsberichten zufolge jüngst gar einen speziellen Plan zur Stärkung des russischen Einflusses in Kirgisien. Der Aktionsplan sieht unter anderem eine graduelle Übernahme des kirgisischen Energiesektors durch russische Firmen vor. Im Gegenzug wird Russland die Hälfte der aus der Sowjetzeit geerbten Schulden Kirgisiens abschreiben, die sich auf 180 Millionen US-Dollar belaufen und die Konditionen für die geschätzten 300.000 Gastarbeiter kirgisischen Ursprungs in Russland verbessern. Der Plan hat auch geopolitische Komponenten. Der Kreml beabsichtigt, seine militärische Präsenz im kirgisischen Kant auszubauen und will von kirgisischer Seite zugleich einen Abzugstermin für die US-Truppen aus Manas. Gemäß dem Plan stört sich Moskau auch an der Pro-Amerika-Haltung einiger Mitglieder des kirgisischen Interimskabinetts. Die Außenministerin Rosa Otunbajewa, der Verteidigungsminister Ismail Isakow und der Premierminister Danijar Usenow sollen durch Kandidaten ersetzt werden, die Moskau genehmer sind. Es gibt keine Beweise, dass dieser Plan wirklich existiert. Seine generelle Intention und besonders seine ökonomische Komponente decken sich jedoch mit russischen Initiativen in Tadschikistan und Usbekistan. Der neue wohlwollende Eurasianismus Russlands stützt sich gerne auf politische Philosophen der 1920er. Heute dient er indes vor allem Russlands jüngster Entwicklung: Der engen Koppelung von Geld und Macht in Form eines oligarchischen Kapitalismus. Das Hauptprojekt für Russlands Elite ist damit die Sicherung des profitablen Status quo. Im Kontext der russischen Außenpolitik, und besonders derjenigen gegenüber Zentralasien, wirft dieses Projekt indes spezifische Fragen auf. Sind geopolitische und wirtschaftliche Interessen wirklich so komplementär und koordiniert, wie es erscheint? Was ist die wirklich treibende Kraft? Und falls der Schwanz mit dem Hund wackelt, was bedeutet das für das Projekt als Ganzes?“

(eurasianet.org, 16. September, aus dem Englischen von Gunter Deuber)

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