In Astana fand vom 7. bis 30. April die 49. Schach-Weltmeisterschaft statt. Mit dem Chinesen Ding Liren und dem Russen Jan Nepomnjaschtschi standen sich zwei Giganten auf Augenhöhe gegenüber. Das Besondere an dem Finale: Statt eines Titelverteidigers gab es zwei Herausforderer.

Kasachstan ist aktuell im Kontext der weltweiten politischen Spannungen aufgrund seiner Mittellage gefragt. Mit besonderem Interesse wird beobachtet, wie China und Russland – die nach außen nicht müde werden, ihre Partnerschaft gegenüber dem Westen zu betonen – um Einfluss in Zentralasien und damit auch dem größten Land der Region buhlen. Vor diesem Hintergrund drängt sich Kasachstans Hauptstadt Astana geradezu auf als Austragungsort einer Schach-WM, bei der ein Spieler aus Russland einem Konkurrenten aus dem Reich der Mitte gegenübersteht.

Das sah offenbar auch Arkadi Dworkowitsch, der Präsident der Internationalen Schach-Föderation FIDE, so: „Kasachstan ist ein blühendes Land mit einer florierenden Wirtschaft und einer privilegierten geografischen Lage, die es perfekt für die Austragung dieses Spiels macht“, so der 51-jährige Russe, der unter anderem die Zeitverschiebung auf dem amerikanischen Kontinent als Argument dafür anführte, dass die im letzten Moment eingegangene Bewerbung Kasachstans gegenüber der lange Zeit favorisierten aus Argentinien den Zuschlag erhielt.

Für Dworkowitsch nicht weniger wichtig: „Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass ein chinesischer Großmeister das Finale erreicht und um den Weltmeistertitel kämpft. Wir erwarten ein enormes Interesse aus China an diesem Ereignis, und das ist eine Gelegenheit, die wir nutzen müssen, um das Schach in Asien zu fördern.“

Dauer-Weltmeister hat keine Lust mehr

Dass es überhaupt dazu kommen konnte, liegt an einem höchst ungewöhnlichen Vorgang für eine Schach-Weltmeisterschaft. Denn das Finale zwischen dem Zweit- und Drittplatzierten der Weltrangliste, Ding Liren und Jan Nepomnjaschtschi, war nach dem Ausgang des Kandidatenturniers in Madrid 2022 keineswegs so vorgesehen. Dieses hatte der Russe zwar direkt vor seinem späteren chinesischen Final-Kontrahenten für sich entschieden.

Der normale Lauf der Dinge wäre dann allerdings gewesen, dass Nepomnjaschtschi im Finale den Titelverteidiger herausfordert. Der Norweger Magnus Carlsen, der in den vergangenen Jahren alle Turniere gewann, die man sich in der Schachwelt nur so vorstellen kann, ist aber des vielen Siegens offenbar müde geworden – und verzichtete. Offizielle Begründung: Motivationsschwierigkeiten. Und so traten in Astana letztlich zwei Herausforderer gegeneinander an.

14 sogenannte Langpartien und vier Tie-Break-Partien mit kürzerer Bedenkzeit fanden vom 7. bis 30. April statt – ein wahres Schachfestival für Kasachstans Hauptstadt, die bereits Erfahrung hat mit der Austragung ähnlich großer Turniere. Mehrfach sah der favorisierte Jan Nepomnjaschtschi wie der sichere Sieger aus, mehrfach wendete sich das Blatt jedoch. Zum Schluss nutzte Ding Liren einen Fehler Nepomnjaschtschis im Schnellschach-Stechen aus und schlug seinen Gegner in der allerletzten Tie-Break-Partie. „Ich hätte den Kampf in den klassischen Partien entscheiden sollen“, ärgerte sich der Russe schließlich.

Tokajew gratuliert auf Chinesisch

Zumindest finanziell geht aber auch Nepomnjaschtschi nicht leer aus. Bei den Schach-Weltmeisterschaften werden meist großzügige Preisgelder ausgelobt. Die Veranstaltung in Astana war mit zwei Millionen US-Dollar dotiert, wovon 60 Prozent an den Sieger und 40 Prozent an den Zweitplatzierten gingen. Hauptsponsor des Finalturniers war die Freedom Holding Corp., deren Geschäftsführer Timur Turlow inzwischen auch Präsident des kasachischen Schachverbands ist.

Der frischgebackene Weltmeister Ding Liren durfte sich nach seinem Sieg über Glückwünsche von Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew freuen. „Zunächst möchte ich Herrn Ding Liren zum Gewinn des Weltmeistertitels in einem hartnäckigen Kampf gratulieren und auch Großmeister Jan Nepomnjaschtschi meinen Respekt für seine Meisterschaft aussprechen“, sagte Tokajew an beide Finalteilnehmer gerichtet. „Die Aufmerksamkeit der gesamten Weltschachgemeinschaft wurde auf das Turnier gelenkt. Schachliebhaber beobachteten den Kampf genau. Ich denke, das Turnier war ein Erfolg.“ Allgemeines Medieninteresse weckte schließlich noch eine sprachliche Einlage Tokajews auf Chinesisch, die auch Sieger Liren ein verblüfftes Lächeln abrang.

Christoph Strauch

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