Ich komme gerade gestresst vom Qi Gong. Was ich ja eigentlich mache, um Stress abzubauen. Das funktioniert so ähnlich wie Tai Chi oder Yoga. Man macht schweigend ruhige, fließende Bewegungen, die die Energien zum Fließen bringen und Körper und Geist jeweils und miteinander in Einklang bringen. Oder so. Dazu läuft schöne Musik im Hintergrund. Die Lehrerin macht’s vor, wir machen es mehr oder weniger richtig nach.

 

Das könnte entspannend sein. Ist es meist auch. Heute war es das nicht. Wir wurden gefragt, was wir dabei fühlen, wie wir es empfinden, ob wir auch dies oder das sehen. Man fühle sich zum Beispiel wie eine Kiefer oder spüre, wie man Bälle ins Wasser drücke. Man empfinde den Kontakt zwischen den Händen wie Seidenfäden und so was alles. Ich hasse diese Frage. Ob beim Reiki, Qi Gong, beim Arzt oder sonst wo, ich sehe und spüre nie das, was angesagt wird und die anderen sehen. In Gruppen kann ich mich normalerweise aus der Situation rausmogeln, indem ich einfach anderen das Antworten überlasse.
Viele Menschen berichten erstaunlich gern und ausführlich von dem, was sich in und an ihnen tut. Heute jedoch waren wir nur zu zweit. Um es nicht zu kompliziert zu machen, sagte ich, dass ich nichts sehe. Und verschwieg, dass ich nämlich sehr wohl was sehe, nur ganz andere Dinge, zum Beispiel sah ich heute einen Barbecue Burger und spürte dabei, wie mir das Wasser im Mund zusammenlief. Und als wir eine Kiefer sein sollten, war ich so sehr Kiefer, dass ich ein Eichhörnchen an mir rumknabbern spürte. Das war kitzelig und sogar erotisch. Und so musste ich, während sich die anderen brav als Kiefer wiegten, mit meinem Eichhörnchen ein Zwiegespräch führen, dass es mich jetzt mal in Ruhe lassen müsse, damit ich nicht vor lauter Knabberei und Kitzelei anfangen müsse zu lachen und die anderen störe.
Das alles erzählte ich nicht, sondern blieb beim kurzen Nichts. Wie, nichts?! wunderte sich meine Qi Gong-Lehrerin. Tja, dann sei es für mich sicher auch schwer, mit Geräuschen zu arbeiten, wenn ich so rational sei. Typisch! Alle Naslang sagen einem andere, wie man sei. Und je weniger man sagt, desto länger und komplexer die Interpretationen. Um die psychologische Beratung, wie man mich ans Sehen innerer Bilder bringen könne, abzukürzen, erwähnte ich kurz mein Eichhörnchen. Den Burger ließ ich unerwähnt.
Aha! Ich würde mich also mit Eichhörnchen verzetteln, anstatt einfach nur meine Übung zu machen. Ja, Nein – von Verzetteln könne keine Rede sein, schließlich kämen die Bilder wie von allein, wenn ich entspannt sei. Ich wurde zunehmend gereizter. Aber das Engagement meiner Qi Gong Lehrerin war geweckt. Wenn ich mit ihren Bildern nichts anfangen könne, müssten wir eben was anderes für mich finden. So sehr ich Exklusivbehandlungen bevorzuge, das ging mir jetzt zu weit. Nein, es gebe kein Problem für mich, ich übersetze die Bilder eben und sei mit meinem Eichhörnchen vollkommen zufrieden. Punkt. Und hoffte, dass sie den Punkt klar und deutlich vor ihrem inneren Auge sehen konnte.
Man tröstete mich damit, dass ich mit der Zeit schon noch an die richtigen Bilder käme. Ich hatte zwar immer noch nicht das Gefühl, getröstet werden zu müssen, ließ es aber gut sein und hielt nach außen hin nicht länger an meinem Eichhörnchen fest. Das nächste Mal erwähne ich den Burger. Bin gespannt, was das für Diskussionen aufwirft.

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