Roland Weigert ist seit November 2018 Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie. Als Abgeordneter des Bayerischen Landtags gehört er der Fraktion der Freien Wähler an. Vor kurzem war der Landespolitiker an der Spitze einer Wirtschaftsdelegation aus Bayern in Kasachstan und Kirgisistan. Im Rahmen des Delegationsbesuchs haben wir mit ihm über seine Eindrücke von Kasachstan, die Bedeutung von Zentralasien für Bayern und die Pläne für eine Vertiefung der beiderseitigen Zusammenarbeit gesprochen.

Herr Weigert, Sie sind an der Spitze einer bayerischen Wirtschaftsdelegation nach Zentralasien gekommen, die aus Unternehmern, Landtagsabgeordneten und Vertretern des Wirtschaftsministeriums Ihres Landes besteht. Was führt Sie hierher?

Wir sind am Mittwoch in der kasachischen Hauptstadt Astana angekommen, haben dort gute und interessante Gespräche geführt, und das dann in Almaty fortgesetzt. Anschließend besuchen wir Kirgisistan. Wir machen so den Auftakt zur Entwicklung der bayerisch-zentralasiatischen Beziehungen, die wir als wichtig empfinden. Die aktuell zu beobachtende geostrategische und geoökonomische Neuordnung führt dazu, dass die Region, die in den letzten Jahrzehnten eher als peripher wahrgenommen wurde, immer mehr in den Mittelpunkt des Geschehens rückt. Zentralasien ist ein wirtschaftlicher Zukunftsraum, und da wollen wir mit dem Anspruch langfristiger Beziehungen antreten.

Gab es den Wunsch, die Beziehungen mit Zentralasien zu vertiefen, auch unabhängig vom Beginn des russischen Kriegs in der Ukraine mit seinen globalen Folgen schon vorher?

Ja. Wir hatten das bereits vor der Corona-Pandemie auf dem Schirm. Wir wollten frühzeitig unseren Beitrag zur Zentralasien-Strategie der Europäischen Union leisten und diese mit Leben füllen. Leider ist uns die Pandemie dazwischengekommen. Als der Lockdown beendet war und wir zum Tagesgeschäft übergehen wollten, kamen der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise. Jetzt haben wir das alles so weit verdaut, dass wir unsere außenwirtschaftlichen Beziehungen wieder gezielt weiterentwickeln können. Und da spielt Zentralasien eine fundamentale Rolle.

Welche persönlichen Eindrücke können Sie von Ihrem Aufenthalt in Kasachstan schildern?

Ich bin zum ersten Mal in Kasachstan. Es ist für mich ein Land der Sehnsucht. Ich bin leidenschaftlicher Jäger, einer meiner besten Freunde war vor vielen Jahren hier zur Jagd und hat mir begeistert davon erzählt. Als ich hier in Almaty angekommen bin und die Berge gesehen, aber auch zuvor schon den besonderen Reiz von Astana gespürt habe, wo der Steppenwind durch die Stadt weht, habe ich sofort verstanden, dass Kasachstan eine Naturperle ist. Es ist ein unwahrscheinlich schönes Land. Die Aufnahme war äußerst gastfreundlich. Wir waren zum ersten Termin beim stellvertretenden Premierminister Roman Skljar. Es war ein außerordentlich gutes Gespräch, politisch freundschaftlich geprägt, und das wollen wir fortführen.

Wie liefen die Vorbereitungen für die Reise?

Hier möchte ich insbesondere den kasachischen Botschafter in Berlin Nurlan Onzhanov und Generalkonsul Denis Rogov in München hervorheben, die beständige Architekten der bayerisch-kasachischen Zusammenarbeit sind. Sie haben exzellente Vorarbeit geleistet. Unter anderem auf ihre Anregung hin hatten wir in München das Zentralasienforum und den Tag der Kasachischen Wirtschaft sowie kasachische Delegationen, die uns besucht haben. Kasachstan selbst hat bei uns einen sehr guten Aufschlag gemacht, und das wollen wir jetzt mit unserem Besuch zurückgeben.

Was erhoffen Sie sich von Ihrer Reise, was sind Ihre Ziele?

Staatssekretär Weigert (Mitte) zu Besuch in Astana. Links von ihm die beiden Landtagsabgeordneten Anna Schwamberger (Grüne) und Gerald Pittner (Freie Wähler), rechts im Vordergrund Botschafterin Monika Iwersen.

Wir sind vor allem hier, um unsere Partner verstehen zu lernen und Vertrauen aufzubauen. Wir wollen zuhören und dann am Ende des Tages gemeinsam eine Strategie entwickeln, damit die wirtschaftlichen Beziehungen tragfähig sind. Wäre Bayern ein eigenständiger Staat, wären wir mit einem BIP von ungefähr 700 Milliarden Euro auf Platz 7 in der EU. Das spiegelt auch die technologische Kompetenz unseres Bundeslandes wider. Wir möchten in diesem Chancenraum der Zukunft dabei sein – auf der Grundlage einer langfristigen, nachhaltigen Partnerschaft auf Augenhöhe. Wir wollen Geschäftsbeziehungen, die über den morgigen Tag hinausgehen.

Welche Ergebnisse konnten im Rahmen Ihrer Treffen vor Ort erzielt werden?

Wir haben eine Initialdelegation zusammengestellt, die für die Erstgespräche eine Auswahl von Unternehmern, Politikern und Mitarbeitern der Administration mit Zuständigkeit für außenwirtschaftliche Fragen umfasst. Es gab Netzwerktreffen für die Unternehmer und parallel Gespräche im politischen Bereich. Zum Beispiel haben wir ein Delegationsmitglied dabei, dessen Unternehmen im Bereich der energieintensiven Industrien wie etwa der Zementproduktion in Deutschland die Dekarbonisierung vorantreibt. Diese Industrien gibt es auch in Kasachstan, und da stellt sich die Frage, inwiefern ein Technologietransfer in dem Bereich für das Land von Interesse sein kann.

Woran sind die kasachischen Partner interessiert? Wo gibt es Überschneidungen, wo Unterschiede in den Ansätzen?

Wichtig ist ein zentraler Punkt: Ich verstehe, dass unsere kasachischen Partner ein primäres Interesse an möglichst schnellen Direktinvestitionen haben. Das funktioniert durchaus bei dem einen oder anderen Großunternehmen. Die bayerische Wirtschaft ist aber neben bekannten Global Playern wie Siemens, BMW, Audi, Airbus, Adidas, Linde oder Hensoldt insbesondere im Bereich Mittelstand stark. Wir haben bei Unternehmen in der Größenordnung von 50 bis rund 500 Mitarbeitern viele Weltmarktführer – z. B. in der Kompressorentechnologie, in den Bereichen 3D-Druck, Medizintechnik, Biotechnologie und Robotik oder in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Wenn diese Unternehmen neue Märkte erschließen, fangen sie zumeist nicht direkt mit Investitionen an. Sie gehen zunächst in den Zielmarkt hinein, loten die Potenziale aus und tätigen erste Geschäfte. Wenn das funktioniert, folgen auch Investitionen. Das sind viel nachhaltigere Investitionen, die auf Dauer wirken. Ich bin überzeugt, dass das für Kasachstan die beste Form der wirtschaftlichen Entwicklung ist.

Was können Sie den Partnern vor Ort im Gegensatz zu anderen Akteuren bieten, um sie von mehr Zusammenarbeit zu überzeugen?

Bei mir war vor wenigen Wochen ein Minister aus dem arabischen Raum zu Gast. Diese Staaten locken mit großen Direktinvestitionen. Sie haben aber keine entwickelte Industriestruktur – die haben wir. Wenn Kasachstan darauf abzielt, den Wohlstand im Land zu erhöhen, muss Wertschöpfung vor Ort erfolgen. Der starke bayerische Mittelstand kann gute Beiträge für eine nachhaltige Entwicklung liefern, sei es im Bereich der Hochtechnologien, aber auch bei der Berufsausbildung der jungen Menschen in Kasachstan.

Wie geht es weiter, nachdem der Delegationsbesuch vorbei ist? Sie meinten ja, dass dies nur eine Initialdelegation sei.

Wir werden das Format mit dem kasachischen Botschafter Onzhanov weiterentwickeln. Wenn wir zurück sind, wird es zeitnah ein Gespräch mit ihm geben, und es werden Folgereisen nach Zentralasien stattfinden. Kasachstan als der große ökonomische Player der Region wird dabei sicher eine zentrale Rolle einnehmen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Christoph Strauch.

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