Im ersten Quartal dieses Jahres ist das Wirtschaftswachstum von den schon fast schwindelerregenden zehn Prozent der vergangenen Jahre auf die Hälfte heruntergekommen. „Nur“ fünf Prozent stimmt sicher manchen Politiker etwas traurig; es ist aber immer noch deutlich mehr als das Wachstum der Weltwirtschaft insgesamt.

Für die Politiker ist das allerdings durchaus ein Problem, ist doch ein Gutteil der Stabilität des Landes und der Zustimmung zur aktuellen Politik von den Möglichkeiten des Verteilens sozialer Wohltaten abhängig. Der Spielraum dafür ist im Moment zwar etwas enger geworden, aber noch nicht in prinzipiellem Maße.

Nach dem Rückgang des Bestandes an Devisenreserven am Ende des vergangenen Jahres sind diese nun wieder kräftig gestiegen. Die Devisenreserven der Nationalbank und des Nationalfonds betragen insgesamt etwa 42 Milliarden US-Dollar. Ursache dafür ist vor allem das nun schon wiederholte Ansteigen der Ölpreise auf den Weltmärkten, die sich offensichtlich an eine Höhe von deutlich über 100 Dollar pro Barrel gewöhnen. Schuld an diesem Preisanstieg ist vor allem der schwache Doller – die Ölexporteure erhöhen die Dollarpreise, um so Verluste durch den Wechselkursverfall auszugleichen.

Endlich ist auch die Geldmenge mit 7,5 Prozent in einem mehr oder weniger vernünftigen Maße gestiegen und nicht mehr mit den horrenden Raten der Vorjahre. Nun muss die Nationalbank „nur“ noch den Mut haben, diese Begrenzung der Geldmenge auch durchzuhalten, um so die Inflation wenigstens einigermaßen in den Griff zu bekommen, das heißt nicht deutlich über 10 Prozent ansteigen zu lassen. Die heimische Finanzkrise kommt dem im Moment auch entgegen; die sinkende Kreditnachfrage stimuliert ein langsameres Wachstum der Geldmenge, doch dieser Faktor wird nicht ewig wirken. Die Kreditierung der Wirtschaft hat sich gegenüber dem Vorjahr um etwa 20 Milliarden Tenge verringert, allerdings hat sich gleichzeitig die Struktur des Kreditportfolios – also die Zusammensetzung der ausgereichten Kredite nach der Sicherheit ihrer Rückzahlung – weiter verschlechtert.
Der Anfang, die finanziellen Grundlagen der Banken gesunden zu lassen, scheint gemacht zu sein. Zumindest sind die Einlagen der Bevölkerung und Unternehmen in Form von Depositen in die Banken um etwa 100 Milliarden Tenge gestiegen. Dadurch können – im Moment zwar noch sehr langsam – schrittweise auch die durch die Rückzahlung ausländischer Kredite entstehenden Liquiditätslücken ausgeglichen werden. Bis eine gesunde Struktur hergestellt ist, wird jedoch noch einige Zeit vergehen.

Problematisch sieht es allerdings bei der Zahlungsbilanz des Landes für das vergangene Jahr aus. Diese besteht aus drei Teilbilanzen. In der ersten werden die aus dem Export erlösten Deviseneinnahmen den für die Bezahlung der Importe abfließenden Valutamitteln entgegengestellt. Dieser Saldo ist mit etwa 15 Milliarden US-Dollar nach wie vor positiv. Allerdings ist in 2007 erstmals der Zuwachs der Exporterlöse und der Zuwachs der Importaufwendungen im gleichen Maße gestiegen, jeweils um etwa 9 Milliarden US-Dollar. Damit ist der Außenhandelsüberschuss nicht, wie in den vorangegangenen Jahren, weiter gewachsen. Ob dies jedoch bereits der Beginn einer Trendumkehr ist, lässt sich im Moment noch nicht mit Sicherheit sagen, die Wahrscheinlichkeit ist jedoch ziemlich groß.
Die zweite Teilbilanz ist die Dienstleistungsbilanz, die den Erlös aus dem Export von Dienstleistungen (zum Beispiel Banken- und Transportdienstleistungen, Tourismus, Kultur) mit den Aufwendungen für den Import von Dienstleistungen (zum Beispiel Baudienstleistungen) vergleicht. Diese Teilbilanz ist für Kasachstan tiefrot, das heißt es werden sehr viel mehr Dienstleistungen importiert als exportiert. Das ist vor allem durch die vielen Bauleistungen bedingt, die hierzulande von ausländischen Firmen erbracht werden.

Auch die dritte Teilbilanz – die Bilanz der unentgeltlichen Leistungen, auch „Schenkungsbilanz“ genannt, weist einen stark negativen Saldo aus. Hier werden grenzüberschreitende Geldströme erfasst, die nicht direkt durch Produktionsleistungen erzielt werden. Dazu gehören zum Beispiel Zahlungen an oder von internationalen Organisationen (zum Beispiel Hilfsfonds oder Botschaften), für Kasachstan vor allem aber Überweisungen ausländischer Gastarbeiter in ihre Heimatländer. Bekanntlich arbeitet davon jede Menge hierzulande und beileibe nicht immer legal.

Weiterhin sind die durch die im Lande getätigten ausländischen Direktinvestitionen bedingten Devisenabflüsse erheblich angestiegen, auf etwa 10 Milliarden US-Dollar. Das sind Gewinne, die die in Kasachstan tätigen ausländischen Unternehmen legal in ihre Herkunftsländer transferieren. Hinzu kommen die Rückzahlungen der Kredite, die die kasachischen Banken in den vergangenen Jahren in großer Dimension im Ausland aufgenommen haben.
Jedenfalls hat der 15-Milliarden-Überschuss aus dem Handel mit Waren nicht ausgereicht, um die Abflüsse an Devisen durch die genannten Teilprozesse auszugleichen. Im Ergebnis hat Kasachstan ein Defizit der Zahlungsbilanz aufzuweisen, das fast sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes beträgt. Das ist schon eine enorme bis bedenkliche Zahl. Nun ist das für ein Jahr oder auch mehrere Jahre nicht unbedingt ein Problem, wenn es entsprechende Devisenreserven gibt. Das ist im Moment ja noch der Fall. Doch die Mittel aus dem Nationalfonds sind ja nicht für internationale Zahlungen vorgesehen, sondern für die Stabilisierung des Staatshaushaltes, falls das durch stark sinkende Steuereinnahmen nötig werden sollte.

Das Leistungsbilanzdefizit ist auf jeden Fall mindestens unerfreulich, obwohl man damit in einer wichtigen makroökonomischen Kennziffer zu den USA aufgeschlossen hat, allerdings in einer negativen. Die USA haben ein ähnlich großes Defizit, allerdings nun schon über viele Jahre. Das ist auch eine der wesentlichen Ursachen für den momentanen Absturz des US-Dollars, der der Welt noch viele Probleme bereiten dürfte. Die Verringerung des Leistungsbilanzdefizits in den nächsten Jahren muss ein vorrangiges Ziel der hiesigen Wirtschaftspolitik werden, will man ähnliche Turbulenzen wie die um den Dollar vermeiden.

Bodo Lochmann

25/04/08

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