Mit großem Aufwand werden alljährlich die „ENT“-Prüfungen, die nationalen Aufnahmetests für den Hochschulzugang, vorbereitet und durchgeführt. Hunderte von Arbeitsstunden kostet allein die Vorbereitung. Man ist stolz darauf, dieses Instrument zur Qualitätskontrolle in Kasachstan eingeführt zu haben. Aber auch nach einigen Jahren hakt es noch manchmal.

Peinlich zum Beispiel, wenn bei der Durchführung das elektronische System versagt und die Ergebnisse in einem Fach von Hand ermittelt und eingegeben werden müssen. Irrtümer und Zahlendreher sind dann nicht auszuschließen: Manch ein hoffnungsfroher künftiger Student mag erschrocken gewesen sein zu erfahren, dass sein angebliches ENT-Ergebnis zum Beispiel „38 Punkte“ lautete anstatt 83. Das kann passieren, sollte aber nicht. Es ist leicht, im elektronischen Berechnungssystem Kontrollen einzubauen, die solche Fehler vermeiden helfen.

Peinlich zum Beispiel auch, wenn bei den Aufgaben sich sprachliche Fehler einschleichen. Mir liegt zufällig ein ENT-Exemplar der Deutsch-Aufgabenstellungen vor. Man mag einwenden: Ein Fehler kann ja mal passieren. Aber drei Fehler bei 30 Aufgaben? In der Schule bei einem Quartalstest wäre das viel. Für einen staatlichen Hochschultest erscheint es mir zu viel. Allerdings: Für die künftigen Studenten hat das zum Glück keine dramatischen Auswirkungen:
Die drei Fehler des mir vorliegenden Tests lagen alle in der Formulierung des Aufgabensatzes, nicht in den angebotenen Lösungen. (So hießen in einem der ENT-Testfragebögen zu ergänzende Sätze so: „Schreibe mir bitte, … du in den Ferien uns besuchen können wirst.“ Und: “ … muss man hochehren?“ Und: „Ich habe Bitte … erfüllt“). Hier gibt es Verbesserungspotenzial in der Wortstellung, der Rechtschreibung und im Artikelgebrauch.
Sehr befremdlich erscheint mir darüber hinaus, dass immer noch bei einem Test über die Kenntnisse in der Fremdsprache Deutsch unwesentliche faktische Landeskundekenntnisse abgefragt werden. Ein Bürger Liechtensteins mag darüber vielleicht etwas anders denken; was aber sagt die folgende Frage über die Fremdsprachenkenntnise und die herauszufindende Studierfähigkeit eines jungen Bürgers Kasachstans aus: „Wie heißt die Hauptstadt von Liechtenstein?“ Solche Frage in einem ENT-Test ist erstens keine fremdsprachenrelevante Frage, und sie repräsentiert zweitens ein methodisches Landeskundeverständnis, das irgendwo kurz hinter der Mitte des 20. Jahrhunderts stehen geblieben ist.

Dieser Mangel, dieses methodische Verharren ist aber nicht allein auf die ENT-Fragen beschränkt. Es spiegelt vielmehr eine nie einzulösende enzyklopädische Erwartung wider, die wir mitunter in der Praxis des vom Sprachunterricht isolierten Landeskundeunterrichtes wiederfinden. Von Zeit zu Zeit, nämlich alljährlich bei den Deutsch-Olympiaden, tauchen solche und ähnliche Fragen auch auf, und zwar bei der Überprüfung des Fähigkeitsbereiches „Grammatik und Wortschatz“. So wurde denn vor kurzem beispielsweise gefragt, welcher der nachfolgend Genannten der Erfinder des Telefonprinzips sei. (Weil es die Deutsch-Olympiade war, lag es nahe, das Kreuz richtigerweise bei J. P. Reis zu machen.) Eine andere Frage ging etwa so: Welcher berühmte Deutsche hat in den folgenden vier Städten gelebt? Da durften dann alle fleißig rätseln.

Zugegeben, das sind möglicherweise interessante Fragen, aber ohne Aussagekraft über das Erlernen der Fremdsprache Deutsch. So lange so etwas in den schulischen Wettbewerben vorexerziert wird, braucht man sich nicht zu wundern, dass es dann auch in den Hochschulprüfungen auftaucht. Hier müsste die Prüfungsdidaktik dringend überdacht und geändert werden. Eine solche Modernisierung wäre sicherlich ganz einfach zu machen. Dann könnte man solche Mängel hoffentlich ganz schnell abhaken.

Von Claus Storm

23/06/06

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