Der Russlanddeutsche Andre Vogel, eigentlich ausgebildeter Sportlehrer, produziert seit 1996 Möbel in Almaty. Zuvor hatte er sechs Jahre mit seiner Familie in Deutschland gelebt, den geschäftlichen und privaten Neuanfang dann aber in Kasachstan gewagt. Im Messezentrum „Atakent“ präsentiert er zur Zeit seine neuen Polstergarnituren.

Der deutsche Möbelproduzent Andre Vogel sitzt in der „Almatyer Atakent“-Ausstellungshalle auf einem seiner Sofas. Angestrengt, weil sein Telefon oft klingelt, beginnt er,  von sich zu erzählen: „So wie ich hier 1996 angefangen habe, ist das jetzt nicht mehr möglich. Dazu ist es hier in Almaty zu teuer geworden“, sagt er. Mit „anfangen“ meint er ein Geschäft aufbauen. Und doch ist sein Möbelunternehmen „Ariba“ das zehnte Mal auf der Messe vertreten. „Eigentlich bin ich Sportlehrer, aber in dem Beruf verdient man in Kasachstan nichts“, erklärt der 53-Jährige mit den kurz geschorenen Haaren lächelnd. Mit seiner Familie siedelte der gebürtige Russlanddeutsche mit deutschem Pass 1989 in die Bundesrepublik über. Warum er aber nach sechs Jahren wieder nach Almaty zurückkehrte, darüber spricht Vogel nicht gerne, dann verschlechtert sich sein Deutsch. Lieber berichtet er von seinem Unternehmen, das er „aus dem Nichts“ aufgebaut habe.

Sportlehrer und Autodidakt

Er winkt eine der herausgeputzten Hostessen herbei, die Werbeprospekte und Wasserflaschen bringt, auf denen das Firmenlogo „Ariba“ prangt. Erst habe er Möbelstücke eingekauft und weitervertrieben, wie das die meisten Anbieter in Kasachstan täten. „Dann habe ich ein Sofa auseinandergebaut und nachgeguckt, wie das innen aussieht“. Während er erklärt, seufzt er ab und zu, es strengt ihn an, über seine Vergangenheit zu sprechen, auch wenn es dabei um das Geschäft geht. Vielleicht langweilt es ihn auch. Alles sei angeblich „ganz einfach“ gewesen und eine Firmengründung in Kasachstan viel unkomplizierter als in Deutschland. Mit zwölf Mitarbeitern habe er begonnen, seine eigenen Sofas herzustellen. „Der deutsche Beruf des Polsterers existiert hier nicht. Und in Kasachstan gibt es weder Ausbildung noch Lehre.“ Das Wissen über die Branche und die Herstellung musste er sich selbst zusammensuchen, genauso wie fähige und engagierte Mitarbeiter.

Gütesiegel „Deutsch“

„In Deutschland waren meine Frau und ich auch Angestellte, ich habe als Bademeister gearbeitet, das mit dem Einkommen war kein Problem“, fängt er an, die Zeit in der Bundesrepublik zu schildern. „Wir haben in der Nähe von Bielefeld gewohnt, und dort waren wir Russen, und somit dritte Wahl.“ Abgesehen davon, dass die BRD die Heimat nicht ersetzen könne, lasse sich hier Ware mit dem Gütesiegel „Deutsch“ besser verkaufen. Außerdem seien die Kunden unkomplizierter. „Die fragen als erstes nach dem Preis und dann nach der Qualität, haben keine Extrawünsche.“ So gelingt Andre Vogel schnell wieder der Themawechsel, und er spricht über das Geschäftliche: „Ich gelte hier als deutscher Hersteller, und somit gilt meine Ware als qualitativ hochwertiger als die hiesige.“ Er selbst und sein Sohn Andreas sind für das Design der Polster- und Büromöbel, die sich „Arabella“ oder „Hidalgo“ nennen und um die 2.000 Euro kosten, zuständig. „Das ist ein Familienbetrieb. Mein Sohn Paul macht die technischen Sachen und Konstruktionen, sucht die Werkzeuge in Deutschland aus“, erläutert Vogel.

Auf Expansionskurs

Nach Deutschland hat er als Russlanddeutscher gute Kontakte. Material, welches es in Kasachstan nicht oder nur in schlechter Qualität gibt, besorgt er sich von dort und arbeitet mit deutschen Firmen und Experten zusammen. Seine in Almaty produzierten Waren bietet er in allen Großstädten Kasachstans an. Acht Filialen besitzt Vogel, unter anderem in Astana und Karaganda, und ist bei allen internationalen Ausstellungen dabei. Auch über das Internet verkauft er seine Möbel, so manches Stück nach Deutschland. Eine Sofagarnitur ist im Online-Auktionshaus Ebay ab 500 Euro zu haben. Mittlerweile hat der Familienbetrieb 90 Angestellte, die monatlich 500 bis 1.000 US-Dollar verdienen. „Ein richtig Guter verdient 1.500“, verrät der Geschäftsmann. Das ist ein hohes Gehalt, gemessen am kasachischen Durchschnittslohn von 200 US-Dollar. „Wenn es hier fähige Leute gäbe, könnte ich noch 30 Arbeiter einstellen.“ Der Geschäftsmann plant seine Firma, die einen Wert von fünf Millionen US-Dollar hat, zu verkaufen und ein neues Möbelunternehmen zu gründen. Für 2007 hat er den Einstieg in die Baubranche geplant. „Wir machen zusammen mit einer deutschen Firma Holzrahmenhäuser“, zeigt sich der Unternehmer zuversichtlich.

Von Eva Hotz

23/06/06

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