Ein internationales Doppeldiplom verspricht Absolventen gute Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt. DKU-Professor Bodo Lochmann berichtet über Chancen und Herausforderungen des Programms an seiner Hochschule.

Die Deutsch-Kasachische Universität (DKU) hat sich im Verlauf ihrer fast 14-jährigen Tätigkeit in der hiesigen Gesellschaft einen guten Ruf erarbeitet. Das ist vor allem durch das hohe Niveau der Ausbildung bedingt, das einerseits von den Lehrenden geboten, von den Studierenden aber auch verlangt wird. In dieser Hinsicht, aber natürlich auch in einer Reihe von anderen Dingen, unterscheidet sich die DKU von der Mehrzahl der über 130 Hochschulen Kasachstans.

Die DKU ist nach kasachischem Recht eine Universität, sie arbeitet mit einer kasachischen Lizenz vor allem für den hiesigen Markt. Hierzulande wird nicht inhaltlich, nicht wie in Deutschland, nach Hochschulen und Universitäten unterschieden, die Lehrprogramme sind inhaltlich für alle gleich. Formale Unterscheidungen zwischen den Bildungseinrichtungen gibt es vorwiegend nach der Anzahl der Studiengänge und der Studentenzahlen.

DKU-Prorektor Bodo Lochmann.

Die DKU ist mit etwa 600 Studierenden eine kleine Bildungseinrichtung. Die überschaubare Größe erlaubt einen intensiven, täglichen Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden. Das trägt dazu bei, ein offenes und intensives Studienklima zu schaffen. Die Arbeit in Kleingruppen ist zwar kostenintensiver als bei Massenuniversitäten, sie schafft aber die Möglichkeit der weitgehend individuellen Betreuung der Studierenden, was dann wieder ein wesentlicher Qualitätsfaktor ist.

Die besten Bachelor-Studenten der DKU haben die Möglichkeit, an einem Doppelabschlussprogramm mit den deutschen Partnerhochschulen teilzunehmen. Letzteres bedeutet für die Studierenden die – allerdings nicht automatische, jedoch kostenfreie – Chance eines mindestens zweisemestrigen Studienaufenthalts in Deutschland, zuzüglich eines vollwertigen Praktikums in einem deutschen Unternehmen. Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg.

Deutsch lernen neben dem Studium

Die Mehrzahl der Abiturienten, die zur DKU kommen, hat keine Deutschkenntnisse. Letztere sind auch keine formale Zulassungsbedingung und können es aufgrund der schwachen Verbreitung des Deutschen auch nicht sein. In den ersten beiden Studienjahren findet der Fachunterricht deshalb in Russisch statt, ihn halten Ortskräfte, die sorgfältig ausgewählt und in europäische Lehr- und Umgangsmethoden mit Studenten eingewiesen werden.

Eingeschlossen in das Studienprogramm der ersten vier Semester ist pflichtweise das Erlernen der deutschen Sprache, insbesondere der Fachsprache. Jeden zweiten Tag haben die Studierenden sechs Stunden Deutsch, an den anderen Tagen ebensoviel Englisch. Auf das Erlernen der deutschen Sprache müssen die Studierenden also sehr viel Zeit aufwenden, Zeit, die an anderen Hochschulen für andere Dinge genutzt werden kann.

Die Aufgabe für Studenten und Sprachlehrer an der DKU besteht darin, den Studierenden innerhalb von nur zwei Jahren in einer sprachlich (aus Sicht des Deutschen) fremden Umgebung ein solches Sprachniveau zu vermitteln, dass sie zu Beginn des dritten Studienjahres den Ausführungen deutscher Gastdozenten nicht nur abstrakt folgen, sondern erfolgreich auch die Prüfungen in den Fachdisziplinen auf Deutsch mit Erfolg bestehen können. Natürlich hängt das Leistungsniveau der Studenten von deren Leistungswillen ab. Dieser ist bei den allermeisten Studierenden stark ausgeprägt. Dennoch ist es sehr bemerkenswert, dass die meisten Studenten innerhalb sehr kurzer Zeit Deutsch von Null an in einem ausreichenden Maße erlernen. Sie haben damit ein Basisinstrument für ein erfolgreiches weiteres Studium an der DKU oder auch an einer deutschen Hochschule „ in“.

Gastdozenten aus Deutschland

Ab Beginn der Spezialisierungsphase, d. h. dem dritten Studienjahr, werden die meisten Profilierungsfächer von deutschen Gastdozenten in Form von zweiwöchigen Kompaktkursen auf Deutsch gehalten. Die Dozenten kommen auf vertraglicher Grundlage von den deutschen Partnerhochschulen der DKU, von denen je Fachrichtung eine vorhanden ist. Die Lehrprogramme mussten beiderseitig in intensiver Kleinarbeit so abgestimmt werden, dass beide pro Studienprogramm beteiligten Hochschulen das jeweils an der anderen Einrichtung von den Studenten Geleistete auch anerkennen können. Dabei war von beiden Seiten Kompromissbereitschaft gefragt, schließlich ist bei gleicher Benennung eines Faches dessen Inhalt oft unterschiedlich.

2008 besuchte der damalige Bundespräsident Horst Köhler die DKU.

Die etwa 25 deutschen Gastdozenten, die an die DKU kommen, spielen eine entscheidende Rolle beim praktischen Funktionieren des Programms. Sie sind meist die ersten „echten“ deutschen Dozenten, mit denen die DKU-Studenten konfrontiert werden und lebendige Fachsprache ist auch immer noch etwas Anderes als akademischer, auf Kennen und Beachten von grammatischen Regeln, ausgerichteter Deutschunterricht.

Die Gastdozenten strengen sich auch sehr an, um ihr Fachwissen so zu vermitteln, dass sprachliche Ausländer, die zudem meist noch nie in Deutschland waren, das Fach auch verstehen und kreativ reproduzieren können. Für das Doppelabschlussprogramm ist nun wichtig, dass die Gastdozenten alle Studenten im realen Unterricht kennenlernen und damit auch ihr Wort bei deren Auswahl für ein Studium an ihrer Heimathochschule mitreden können (und müssen). Die Studierenden der DKU wiederum lernen schon einige Dozenten der Hochschule kennen, wo sie im 4. Studienjahr vielleicht weiter studieren werden. Sie fahren dann also nicht ins absolute Niemandsland, sondern kennen von Almaty her bereits eine Reihe deutscher Dozenten.

Nachdem die Studenten die Eignungsprüfung Deutsch (TestDaf) hinter sich gebracht haben und nachdem die Noten in den von den Gastdozenten gehaltenen Fächern vorliegen (das ist nach dem 5. Semester), wählt eine Kommission der DKU unter allen Bewerbern die Studenten aus, die in ihrer fachlichen und sprachlichen Gesamtheit die Gewähr für ein erfolgreiches Studiums an der deutschen Partnerhochschule bieten. Der Auswahlprozess fällt dabei meist nicht leicht, ist doch einerseits die Anzahl der Stipendien begrenzt (bis 20 pro Jahr), andererseits die Anzahl geeigneter Bewerber groß. Im Auswahlprozess spielt die Meinung der Dekane und der Fachlehrer eine wesentliche Rolle, weil Zensuren nicht immer ein exaktes und ausreichend differenziertes Bild geben.

Vorbereitung auf den Auslandsaufenthalt

Die für den Doppelabschluss Auserwählten werden ab etwa März auf ihren Deutschlandaufenthalt sowohl in organisatorischer, als auch inhaltlicher Hinsicht vorbereitet. Ein Problem ist in der Regel die Beschaffung von Praktikumsplätzen in einem deutschen Unternehmen, vor allem, wenn das Praktikum dem Studium vorgeschaltet ist, also bereits im Juli beginnen muss. Es ist zwar bisher immer gelungen, die nach Deutschland Gehenden mit Praktikumsplätzen zu versorgen, dazu waren oft aber erhebliche Anstrengungen aller Beteiligten notwendig. Auch Vertreter deutscher Unternehmen in Almaty haben sich im Einzelfall mit um die Beschaffung von Praktikumsplätzen in Deutschland bemüht (z. B. Dr. Thöns von der Commerzbank). Nicht alle der insgesamt eingeworbenen Praktikumsplätze haben jedoch genau dem Ausbildungsprofil entsprochen. Mit der Ausbreitung der Erfahrung in deutschen Unternehmen, dass die DKU-Studierenden voll leistungs- und einsatzfähig sind, sollte sich das Problem der Beschaffung von Praktikumsplätzen künftig eher entspannen.

DKU-Prorektor Bodo Lochmann mit Studenten.

Nach dem mehrwöchigen Praktikum, das irgendwo in Deutschland sein kann, gehen die Studenten dann zum weiteren Studium an die jeweilige Partnerhochschule. Je nach Studiengang studieren sie dort noch bis zu vier Semester. Danach ist die Abschlussarbeit zu schreiben und an der deutschen Partnerhochschule zu verteidigen. Die ursprüngliche Befürchtung der DKU-Leitung, dass sich nicht alle in Deutschland studierenden DKU-Vertreter in ihren Abschlussarbeiten auf ausreichend hohem wissenschaftlichen Niveau in Deutsch ausdrücken können, hat sich in der Praxis als weitgehend unbegründet erwiesen. Von bisher etwa 50 Abschlussarbeiten musste aus inhaltlichen Gründen erst eine neu geschrieben werden.
Nach erfolgreicher Verteidigung in Deutschland kommen die Doppelabschlussstudenten mit ihrem deutschen Diplom nach Almaty zurück, um hier noch die obligatorische mündliche Komplexe Prüfung vor einer staatlichen Kommission (Staatsexamen) zu bestehen. Diese kann in der Regel erst einige Zeit nach der Rückkehr aus Deutschland erfolgen (es gibt an den deutschen Hochschulen keinen einheitlichen Prüfungstermin wie in Kasachstan), so dass die meisten der Rückkehrer sich mit ihrem deutschen Diplom schon um eine Arbeitsstelle in Kasachstan bemüht haben.

Manche Absolventen des Programms, natürlich auch DKU-Absolventen, die nicht im Doppelabschlussprogramm waren, entschließen sich zu einem fortsetzenden Masterstudium sowohl an der DKU selbst, aber auch in Deutschland.

Die ersten drei Jahre des mit fünf deutschen Hochschulen praktizierten Doppelabschlussprogramms zeigen, dass es allen Beteiligten gelungen ist, diese organisatorische Herkulesaufgabe zu bewältigen. Das Programm hat sich eingespielt, es funktioniert ohne größere Probleme. Natürlich sind immer noch Detaillierungen und Konkretisierungen notwendig, weil man nicht alle Dinge am grünen Tisch vorhersehen kann.
Die Absolventen der DKU, und nicht nur die des Doppelabschlussprogramms, sind auf dem hiesigen Arbeitsmarkt ausgesprochen wettbewerbsfähig. Größere Probleme beim Finden eines Jobs als Absolvent mit DKU-Diplom gibt es nicht, was nicht heißt, das man immer gleich seinen Traumarbeitsplatz findet.

Bodo Lochmann ist Prorektor an der Deutsch-Kasachischen Universität

Von Bodo Lochmann

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